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Titelbild
Thal, Lilli:
Vialla und Romaro
Hildesheim: Gerstenberg 2007
295 S.
€ 14,90
Jugendbuch ab 14 J.

Thal, Lilli: Vialla und Romaro

Um der Liebe willen

von Nora Wagner und Daniela Voitl (2008)

„Alles übertönte Pope Nikodemus, laut und endgültig, wie die Kirchenglocke: ‚Ihr seid zu ähnlich. Eure Hochzeit bringt Unglück!’ […] Im letzten versickernden Lichtschein zogen die Dörfler ernste Gesichter. ‚Wie Bruder und Schwester, es ist wahr’, nickten sie einander zu. ‚Sie dürfen nicht heiraten.’“ Dass zwei Menschen für ihre Liebe die Ordnung ihrer Gemeinschaft verlassen und ins Verderben laufen, ist ein uraltes Grundmotiv der Literatur, welches Lilli Thal in ihrem Buch „Vialla und Romaro“ aufnimmt und abwandelt. Vor einem märchenhaften, idyllischen Hintergrund erzählt sie die Geschichte einer jungen und verbotenen Liebe, die einer schweren Prüfung unterzogen wird. Die Prüfung führt zu der Erkenntnis, dass die Macht von Betörung und Verführung nur durch die Kraft wahrer Liebe überwunden werden kann.

Auf einem der jährlichen Brautzüge durch den gefährlichen, wilden Wald, der die schützenden Dörfer voneinander trennt, lernt das Mädchen Vialla den sanften Romaro kennen und lieben. Doch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern. Aufgeben kommt für die beiden dennoch nicht in Frage, und so bleibt ihnen keine andere Wahl, als zu fliehen. Dafür müssen sie jedoch den „zahmen Wald“ – den sicheren Bereich um die Dörfer herum – verlassen und den „wilden Wald“, in dem unzählige Gefahren lauern, durchqueren. Auf ihrem Weg kommen sie an einem Teich vorbei, an dessen Ufer ein großer Weidenbaum steht. Dort erscheint Romaro die bezaubernde Apate, welche ihn in ihren Bann zieht. Wie in Trance folgt er ihr in einen sich plötzlich öffnenden Palast und wird von ihrem Liebesverlangen angesteckt. Währenddessen muss Vialla hilflos zusehen, wie ein abscheulicher Dämon ihren geliebten Romaro in die Weide hineinzerrt – der Beginn einer grotesken Affäre: Der Dämon verfügt über Zauberkräfte, die ihn dazu befähigen, Romaro mit Trugbildern zu täuschen und ihm eine Welt vorzugaukeln, die seine tiefsten Wünsche widerspiegelt. Vialla hingegen bleibt nur übrig, sich auf ihren Mut und die Kraft ihrer Liebe zu verlassen.

Bei der Erzählung handelt es sich auf den ersten Blick um einen Märchenroman. Dies zeigt sich besonders in den für Märchen typischen Motiven: dem dunklen, unheimlichen Wald, in dem man sich verläuft; dem tiefen, unergründlichen Wasser, das unbekannte Gefahren birgt; der Prinzessin mit den langen, goldenen Haaren, die in einem prachtvollen Palast wohnt. Allmählich tauchen jedoch immer mehr eindeutig fantastische Elemente auf, die das Bucheher als Fantasyroman erscheinen lassen. So tritt der Leser ein in eine fiktive Welt, die geprägt ist von Grauen und Aberglauben, und wird Zeuge von einem Kampf Gut gegen Böse. Leider verkehrt sich die zunächst angedeutete Ideologiekritik – die Durchsetzung von Aufklärung, die den Aberglauben überwinden soll – am Ende geradezu ins Gegenteil.

Nach und nach fragt sich der erwartungsvolle Leser, warum die geheimnisvolle Atmosphäre des Vorspanns im Hauptteil fast gänzlich verloren geht und das Geschehen dort über fast 200 Seiten künstlich in die Länge gezogen und mit überflüssigen Details aufgeplustert wird, sodass die zuvor kunstvoll aufgebaute Spannung langsam verschwindet. Weiterhin muss er feststellen, dass die vorher so lebendige Sprache plötzlich an Zauber verliert und mitunter geradezu plump und obszön wirkt, was sich besonders in der genreuntypischen, drastischen Darstellung von Sexualität offenbart. Mehrfach muss sich der Leser auseinandersetzen mit Stellen wie: „Ein rhythmisches Klatschen drang vom Weidenbaum herüber, monoton und endlos, begleitet von Stöhnen und kehligen Schreien“. Hinzu kommen einige abstoßende Szenen, mit welchen der Leser nahezu überrumpelt wird, da sowohl die äußerliche Erscheinung des Buches als auch der Klappentext etwas anderes erwarten lassen. So erfüllt die genüssliche Darstellung des grauenhaften Szenarios im Inneren des hohlen Weidenbaumes den Leser nur noch mit Ekel, wenn es heißt: „Bis oben hin war das rohe Holz beschmiert mit Kot und Blut, über den widerlichen Schleim krochen die Würmer und Schnecken. […] Der Boden war eine stinkende Kloake, aus der wie mörderische Pfähle die Wurzelspitzen ragten.“ Durch solche Schilderungen wandelt sich der zunächst durchaus fesselnde Roman in ein reines Horrorklischee.

Das Buch „Vialla und Romaro“ behandelt eine für Jugendliche offensichtlich bedeutsame Thematik. Das klischeehafte Rollenbild und die Botschaft, dass wahre Liebe fast alles bewirken kann und es sich deshalb lohnt, für sie zu kämpfen, scheint eine große Faszination auszulösen. So ist die Heldin des Romans bereit, für ihre Liebe sogar ihren Stolz aufzugeben und – vom Geliebten verschmäht und von der Rivalin verspottet – so lange auszuharren, bis der Verlobte am Schluss, eines Besseren belehrt, zurückkehrt. Fraglich bleibt jedoch, ob Vialla aus heutiger Sicht tatsächlich als Heldin angesehen werden kann. 

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