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Haderer, Gerhard:
Das Leben des Jesus
Wien: Ueberreuter 2002
unpag. (ca. 40 S.); € 14,90

Haderer, Gerhard (Text und Illustration): Das Leben des Jesus

Jesus kifft!

von Miriam Kurz (2005)

„Darauf berührte er ihre Augen und sagte: ‚Wie ihr geglaubt habt, so soll es geschehen.‘ Da wurden ihre Augen geöffnet.“ So berichtet die Bibel von einem der Wunder Jesu. Gerhard Haderer liefert mit seinem parodistischen Bilderbuch „Das Leben des Jesus“ eine völlig andere Sicht auf die Wunder des Messias, die nicht nur den christlichen Glauben an Jesus als Heilsbringer und Erlöser, sondern auch die Institution Kirche auf amüsante Art auf die Schippe nimmt.

Alles beginnt damit, dass „im Jahre Null, in einer dieser finsteren Dezembernächte“ drei Weise auf ihren Kamelen auf der Suche nach dem Messias von dem Schrei eines Neugeborenen derart erschreckt werden, dass einer der Reiter von seinem Kamel fällt und sich dabei seine Goldzähne ausschlägt. Diese sowie Myrrhe und Weihrauch lassen die Weisen schließlich bei der jungen Familie. Als Jesus am Weihrauch riecht, wird er im eigentlichen Wortsinn ‚erleuchtet’: Sein Kopf beginnt hell zu strahlen. Das macht ihn insbesondere des Abends und des Nachts zu einem beliebten Spielkameraden. Er sammelt zwölf Freunde um sich und beginnt, durch das Land zu ziehen. Dabei vollbringt er verschiedene Wunder. Erklärt werden diese Wunder zum Teil mit der ‚Erleuchtung’ Jesu durch den Genuss von Weihrauch – auf der letzten Seite des Buches wird darauf hingewiesen, dass Weihrauch wie auch Haschisch THC enthält –oder sie werden auf andere Weise banalisiert. So wird der blinde Schneider – unschwer erkennt man hier den Modeschöpfer Karl Lagerfeld – ‚geheilt‘, indem Jesus ihm die Sonnenbrille abnimmt. Die Freunde hingegen nutzen jede sich bietende Gelegenheit, um ihren Mitmenschen im Anschluss an die Wunder Jesu Geld abzuknöpfen. Entsprechend werden die Jünger von Bild zu Bild immer prunkvoller gekleidet und beleibter und lassen sich in Sänften umhertragen.

Nach einer Meinungsverschiedenheit mit den Jüngern, die in ihrer Raffgier Jesus von Künstlern haben abbilden lassen und mit den entstandenen Gegenständen – z. B. Jesus als Briefbeschwerer oder Korkenzieher – noch mehr Geld verdienen wollen, nimmt der Messias eine große Portion Weihrauch und fährt in den (Pop-)Himmel auf. Dort sitzt er dann mit gleichgesinnten Engeln, die Ähnlichkeiten mit verschiedenen Rockmusikern wie Bob Marley oder Jimi Hendrix haben, auf einer riesigen Weihrauchwolke.

„Das Leben des Jesus“ wird von drei unterschiedlichen Sprachstilen durchzogen. So gibt es zum einen Textanteile, die stark an Bibel- und an Legendensprache erinnern, zum anderen lassen sich Alltagsjargon und Sprachverballhornungen finden. So stellt beispielsweise ein Wirt nach einigen Weinproben fest : „...das ist ja elster Wein, vonner Reife, großatich.“ Zwar scheinen die verschiedenen Sprachstile vom Autor bewusst eingesetzt zu sein, doch erschließt sich diese Verwendung dem Leser nicht immer.

Gerhard Haderer – bekannter Karikaturist der Zeitschriften Stern und Titanic – benutzt in seiner Darstellung immer wieder Bildvorlagen aus dem christlich-religiösen Bereich. Sie werden sowohl in wesentlichen Teilen übernommen als auch karikiert und überzeichnet. So findet sich neben einer Persiflage auf Leonardo da Vincis ‚Das letzte Abendmahl‘ eine Darstellung des Fischwunders in einem altarbildähnlichen Triptychon. Mitunter greift Haderer auch auf populäre Bildwelten zurück, so erinnert beispielsweise eine Landschaftsdarstellung sehr an Monty Pythons ‚Das Leben des Brian‘– wie übrigens auch der Titel des Buches. Die Überzeichnungen der Bildvorlagen werden u. a. durch das Einfügen von Gegenständen der Neuzeit, wie Liegestühlen, Gummienten oder Fernrohren erreicht. Zudem erinnern viele der Hauptpersonen an bekannte, heutige Zeitgenossen, insbesondere an österreichische Kleriker und Politiker: Wolfgang Schüssel tritt als einer der Jünger Jesu auf, im Himmel sind Janis Joplin und John Lennon als Engel zu bewundern.

Um die verschiedenen Bildzitate erkennen und dechiffrieren zu können, benötigt der Leser neben Alltagswissen über Zeitgeschehen, Politik und Pop-Musik auch ein gewisses Fundament an Wissen über Religion und die Geschichte des christlichen Glaubens. Christen ohne einen Funken Selbstironie sei dieses Buch nicht empfohlen, schließlich wurde Haderer wegen dieser Jesusdarstellung in Griechenland angeklagt. Alle anderen, die sich über die Institution Kirche amüsieren wollen, können bedenkenlos zu dem Buch greifen.

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