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Burgess, Melvin:
Doing it
Aus dem Englischen von Andreas Steinhöfel
Hamburg: Carlsen 2004
(Originalausgabe 2003)
352 S., € 14,-

Burgess, Melvin: Doing it

Sex, Sex und noch mal Sex

von Christian Bittner (2005)

Jugendbücher über die Liebe gibt es wie Sand am Meer. Selten steht dabei jugendliche Sexualität im Zentrum der Darstellung. „Doing it“ ist anders. Überaus authentisch und ebenso unterhaltsam wird hier erzählt, wie heutige ‚Männer’ über Sex denken, reden und wie sie handeln.

Das Leben der drei 17jährigen Freunde Jonathan, Dino und Ben dreht sich nur um das Eine, oder vielmehr um das Reden darüber. Untereinander sprechen die Jugendlichen unablässig übers „Vögeln“ und malen sich detailliert aus, mit wem sie es wie tun wollen. Doch wenn es wirklich zur Sache geht, sieht das alles ganz anders aus.

Von Kapitel zu Kapitel wechselt in „Doing it“ die Perspektive, so entsteht ein lebendiges Bild von den drei Jugendlichen und den Menschen um sie herum: durch einen auktorialen Erzähler, der mitunter versteckte ironische Seitenhiebe austeilt oder Vorausdeutungen vornimmt, sowie durch verschiedene jugendliche Ich-Erzähler. Aus den großmäuligen Halbstarken werden dann wieder kleine, unsichere, von Versagensängsten geplagte Jungs, die in ihrem Innersten eigentlich recht sensibel und einfühlsam sind.

Etwa Jonathan, der zusammen mit seinen Kumpels unglaublich fiese Witze über die „fette“ Deborah reißt, obwohl er insgeheim total auf sie steht. „Ich hatte immer die Einstellung vertreten, dass es völlig egal ist, wie groß oder wie dick ein Mädchen ist. Dass es nur auf den Charakter ankommt. [...] Könnte es sein, dass ich mir die ganze Zeit über selbst etwas vorgemacht habe und mich bloß dafür schäme, mit ihr zusammen gesehen zu werden?“ Und kaum, dass er sich nach einigem Zögern für Deborah entschieden hat, macht er sich erneut Gedanken. Diesmal um die Funktionstüchtigkeit seines besten Stücks ...

Ganz andere Probleme hat Dino – ebenso gutaussehend und smart wie arrogant und egoistisch. Seine Freundin Jackie will einfach nicht mit ihm ins Bett gehen, sodass er die erstbeste Gelegenheit nutzt, um sie zu betrügen. Auf einer Party ‚überredet’ Dino die 14jährige Zoë zum Sex. Sein Versuch jedoch, auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen, wird für ihn zum Desaster. Zu allem Überfluss muss er auch noch beobachten, wie seine Mutter mit einem anderen Mann ‚rummacht’.

Reichlich erfahren in Sachen Sex ist hingegen der eher stille Ben: Er hat eine Affäre mit seiner überaus attraktiven Lehrerin Ali Young. Was zunächst wie eine wahr gewordene Schülerfantasie erscheint, entwickelt sich für Ben zur Katastrophe. Die dominante Ali vereinnahmt ihn mehr und mehr. Doch sich von ihr zu lösen, damit ist Ben absolut überfordert: Seine Lehrerin setzt ihn massiv unter Druck, schneidet sich sogar die Pulsadern auf, nur um ihn an sich zu binden.

Geschickt sind die einzelnen Handlungsstränge ineinander gefügt, die Darstellung konzentriert sich ausschließlich auf die sexuellen Begebenheiten und Verwicklungen der Jugendlichen, übergangslos geht es von einem Ereignis zum nächsten. Das sorgt zwar für ein enorm hohes Erzähltempo und lässt beim Lesen nie Langeweile aufkommen, allerdings bleiben dadurch die verschiedenen Charaktere – insbesondere die weiblichen – etwas blass und wirken bisweilen leicht typisiert.

Vor allem wegen der am Alltagsjargon orientierten, durchgängig sexualisierten Jugendsprache mit einer Unmenge an derb-vulgären Ausdrücken sorgte „Doing it“ in England für heftige Kontroversen – allerdings nur in den Reihen (über)besorgter Erwachsener. Anders sieht das die anvisierte Leserschaft selbst: „Erwachsene werden das Buch wahrscheinlich nicht mögen, aber es wird wohl keinen einzigen Teenager in diesem Land geben, der es nicht liebt“, so der Kommentar eines Jugendlichen auf der Homepage des Autors.

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