Bach, Tamara: Busfahrt mit Kuhn
Aufbruchstimmung
von Elena Quack (2005)
Abi – und Schnitt. Rike hat es geschafft. Doch bevor das ‚richtige’ Leben beginnt, will sie gemeinsam mit ihren Freunden Sissi, Lex und Noah noch einen unvergesslichen Sommer erleben. Denn wer weiß, wie die Zukunft der vier aussehen wird? Kurzerhand entwenden sie den Kleinbus von Rikes Bruder Kurti und stürzen sich in eine turbulente Reise zu einem Rockkonzert. Eine Hommage an die Freundschaft sollte es werden, doch dann kommt alles anders als geplant.
Der Leser erlebt die siebentägige Busfahrt quer durch Deutschland aus Rikes Sicht. In Form eines Drehbuchs erzählt sie die Ereignisse der Reise, schildert Übernachtungen bei Freunden und Bekannten sowie Besuche verschiedener Dorffeste. Vor dem inneren Auge des Lesers nimmt ein Roadmovie Gestalt an und lässt ihn miterleben, wie sich die Gruppe mit zunehmender Reisedauer mehr und mehr auflöst. Ein heftiger Streit zwischen dem langjährigen Paar Sissi und Lex führt dazu, dass beide die Reise abbrechen. Und als Rike dann auch noch erkennt, dass ihr heimlicher Schwarm Noah ihre Liebe nicht erwidern wird, lässt sie ihn zurück und setzt die Reise allein fort.
Was sich auf den ersten Blick als Fahrt zum Rockkonzert darstellt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Selbstfindungsprozess. Denn mit der Erzählerin Rike präsentiert uns Tamara Bach eine Jugendliche auf dem Weg zu sich selbst und zum Erwachsensein. Auf der Suche nach ihrer Identität macht sie erste Erfahrungen mit Liebesdingen und muss schmerzlich erkennen, dass sich auch Tatsachen, die für sie selbstverständlich sind und die ihr Halt geben, mit der Zeit verändern. Denn was vor der Reise noch unerschütterliche Realität zu sein schien – ihr Wunsch nach einem Studium an einer Filmhochschule, ihr Hoffen auf Noahs Zuneigung und eine gemeinsame Zukunft von Sissi und Lex –, wird plötzlich in Frage gestellt.
Tamara Bach gewährt uns mit ihrem zweiten Jugendroman einen authentischen und unmittelbaren Blick auf einen besonderen Lebensabschnitt. Eine Zeit, die geprägt ist von Freiheit und Unsicherheit, von Zukunftsplänen und Planlosigkeit, von Aufbruch und Veränderung. Im Kern melancholisch, enthält die Erzählung jedoch auch humorvolle Elemente, wie zum Beispiel die Parallelhandlung um Rikes verärgerten Bruder Kurti und dessen verzweifelte Bemühungen, seinen geliebten Bus zurückzubekommen.
Doch ist es weniger die Handlung, die „Busfahrt mit Kuhn” außergewöhnlich macht, als vielmehr die Art und Weise ihrer Präsentation. Denn durch das filmische Erzählen in Regieanweisungen, Dialogen und Rückblenden gelingt Tamara Bach die Simulation einer audiovisuellen Darstellung. Angaben von Kameraeinstellungen und -fahrten wie „close- up” oder „Schwenk. Blick aufs Brötchen” bauen auf filmischen Vorerfahrungen des Lesers auf und fördern seine visuelle Vorstellung. Besonders bemerkenswert ist der Einsatz von Schnitten, durch die die Erzählung zwischen der Handlung um Rike und der Parallelhandlung um Kurti wechselt. Eine sich erhöhende Schnittfrequenz und damit auch ein sich beschleunigendes Erzähltempo steigern die Spannung bis zu der Szene, in der sich Rike und Kurti schließlich treffen. Eine Fülle von Songzitaten vermittelt den Eindruck eines Soundtracks. Dies und eine jugendlich freche Sprache runden das simulierte Filmerlebnis ab.
Und wie Rikes Film weitergehen wird? „Wir stehen auf und gehen los. Und irgendwann wird unser Gehen auch eine Richtung bekommen.” Schnitt – nächste Etappe.