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Nicht perfekt, aber ziemlich schön.  

Von Lisanne Leonartz, Serafina Segets, Marie-Sophie Sohn und Margarethe Stauber (2021)

In einer Welt, in der eine alleinerziehende Mutter mit drei Töchtern lebt, das Zimmer gerade mal Platz für ein Dreifach-Stockbett hergibt und in der das Geld weder für einen Cappuccino  und schon gar nicht für die Klavierstunden der kleinen Schwester reicht, hat man es nicht leicht.
So geht es der 16-jährigen Maia. Ihr Leben ist alles andere als perfekt. Als dann noch Sieglinde, der Oma-Ersatz von Nebenan verstirbt, wird es für die kleine Familie noch schwieriger. Zwischen ihrem Teilzeitjob, ihrer Rolle als Ersatzmutter für die beiden Schwestern und der Schule versucht Maia das Leben als Teenager gemeinsam mit ihren zwei besten Freund*innen zu bewältigen. Die Adoleszenz ist die Phase der Selbstfindung, doch wo soll Maia bei ihrem vollen Alltag da noch Zeit für aufbringen? Selbstbewusst stellt sie sich dem ,,Schlankheitswahn’’ entgegen, steht ihren Freund*innen bei Problemen zur Seite, tröstet und streitet mit ihren Schwestern und beschäftigt sich mit Sexualitäts- und Identitätsfindung. Auch wenn Maia materiell arm ist, lenkt sie den Blick der Leser*innen auf das was wichtig ist: das soziale Umfeld. Umgeben von Freund*innen, Familie und der Kunst meistert sie ihren Alltag.

Die mit mehreren Preisen ausgezeichnete österreichische Autorin Elisabeth Steinkellner schafft eine Figur voller Schmerz und Freude auf der Suche nach dem Glück. Obwohl Maias Leben Anlass für eine pessimistische Geschichte bieten würde, ist die Erzählung hoffnungsvoll und optimistisch. Anna Gusellas berührende Zeichnungen illustrieren dabei Maias Gefühlswelt und untermalen diese. Genau wie Maia selbst ist dieses vielfältige, außergewöhnliche Jugendbuch nicht in eine Schublade zu stecken. Maia erzählt in diesem Tagebuchroman von den Ereignissen ihres Lebens, ihren Gefühlen und Gedanken mit Hilfe von Zeichnungen und Worten und bringt den*die Leser*in durch ihr humorvolles Erzählen immer wieder zum Lachen.

So vielen Klischees und Vorurteilen Maia in ihrem Leben auch ausgesetzt ist – sie tritt ihnen mit ihrer Toleranz entgegen und zeigt den Leser*innen damit originelle Meinungen und Abweichungen ohne dabei abwertend zu werden. Nicht nur in Maia selbst liegt der Wunsch, dass diese Toleranz auch ihr und ihrem Umfeld entgegengebracht wird auch die Leser*innen werden angeregt, ihre Einstellung Anderen gegenüber zu reflektieren. So werden Alltagssituationen und aktuelle sozialpolitische Debatten, augenscheinlich en passant, in den Herausforderungen und Problemen beleuchtet, mit denen Maia sich in ihrem Tagebuch auseinandersetzt. Maia ist, anders als der Titel des Werkes vermuten lässt, also keine Virtuosin am Klavier, sondern auf dem Papier, sie ist Zeichnerin die die Kunst nutzt um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Sie zeigt uns mit Hilfe ihres Tagebuchs, dass es nicht auf das große Glück, sondern auf die kleinen Dosen Alltagsglück ankommt und dient somit nicht nur als Identifikationsfigur für Jugendliche, sondern auch als Vorbild für erwachsene Leser*innen, ohne dabei belehrend zu wirken.

Steinkellner, Elisabeth
Papierklavier
Weinheim: Beltz und Gelberg, 2020
140 Seiten
Einordnung ab: 15 Jahre

Leseprobe:
ENTWEDER du hoffst
auf das ganz große Glück,
das plötzlich und schwallartig
in Badewannenmengen auf dich herabfällt
(ohne zu wissen, ob es jemals kommt),
oder du sammelst tagtäglich die kleinen Dosen Alltagsglück,
die oft nicht mehr als einen Fingerhut füllen, aber alle
zusammen mit der Zeit zu einem kleinen See anwachsen,
in den du kopfüber springen kannst.

Glück #1
Sonntagmorgen.
Keine Schule.
Ganztages-Pyjama-Look.
Alle ausgeflogen.
Ein halb volles Glas
            Schokocreme im Kühlschrank
Die Sonne scheint zum Fenster herein.
Und im Radio kommt
dein Lieblingslied.
(Seite 82f.)