Die Länge einer Stadtmauer kann man auch googeln!
Von David Ritgens, Michelle Samol und Carmen Schineller (2021)
Eine Klassenfahrt ohne Handys, ohne Freizeit, aber dafür mit dem Albtraum eines jeden Zehntklässlers: dem Utz. Ein schon quasi pensionierter, auf seine Prinzipien bestehender Geschichtslehrer, dem Sanktionen für schlechtes Benehmen mindestens genauso wichtig sind wie tägliche Kirchenführungen. Die zahlreichen Schülerreferate und langen Reisebusfahrten müssen von der 10b in einem Reiseprotokoll festgehalten werden, welches sich im Laufe der Klassenfahrt zu einem Selbstverständigungsmedium verändert. Es dokumentiert die Frustration und Schikane ebenso wie die Entwicklung zu einer starken Klassengemeinschaft. Doch was ist mit der 10b passiert, dass direkt nach ihrer Rückkehr eine Klassenkonferenz einberufen wurde und wo sind sie eigentlich hingefahren?
Der Roman ist eine Montage aus verschiedenen Textsorten wie Protokollen oder Emails. Diese sind multiperspektivisch und in authentischer Jugendsprache verfasst, die sich an der Mündlichkeit orientiert. Mit ihrem realistischen Schreibstil erhielt Tamara Bach bereits 2004 den Deutschen Jugendliteraturpreis für ihre Publikation „Marsmädchen“. In ihrem neusten Werk schafft die Jugendbuchautorin es mit viel Geschick, Humor und Realitätsnähe Identifikation zur Situation zu schaffen oder Erinnerungen zu wecken. Der Adoleszenzroman kommt ohne prototypische Themen aus, jedoch wird der missglückte Zugang zur Kunst über gehetzte Museumsgänge und desinteressierte „Führungsmänner“ thematisiert. Trotz der Schnelllebigkeit des Romans finden wenige Ereignisse statt, weshalb sich der Roman eher für geübtere Leser_innen eignet.
Bach, Tamara
Sankt Irgendwas
Hamburg: Carlsen Verlag 2020
128 Seiten
Jugendbuch ab 14 Jahren
Leseprobe:
Ich brauche Kaffee.
13.40: Der Führungsmann taucht auf und will uns jetzt noch mal die Kirche zeigen.
14.00: Mittagspause fällt aus?
14.08: Ich versteh kein Wort und kann daher auch nichts aufschreiben.
14.20: Wir müssen zur Stadtmauer. Alle haben Hunger. Frau Kaiser verteilt Müsliriegel und Äpfel.
14.30: Ich bin zu schwach, um zuzuhören. Wer was über die Stadtmauer wissen will, kann das bestimmt auch googeln. WIR GEHEN DIE GANZE STADTMAUER LANG?!?
15.00: Wir gehen die ganze Stadtmauer lang.
15.20: Die Stadtmauer ist sehr lang. Wie lang, kann man googeln, und dabei kann man sich freuen, dass man NICHT die ganze Stadtmauer entlanglaufen muss.
15.40: Der Mauerführer ist fertig. Schlappes Klatschen.
Jana und Elisabeth sollen jetzt noch schnell ihr Referat halten.
S. 29