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Titelbild
Baldwin, James:
Von dieser Welt
Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow
München: dtv 2018
OA 1952/ 53 u.d.T.: Go Tell It on the Mountain
320 Seiten
€ 22
Junge Erwachsene ab 16 Jahren

Baldwin, James: Von dieser Welt 

Im Namen des Vaters

von Mareike Effinger, Jule Sittardt, Ruben Francis Ram Suri, Katharina Volz (2018)

„Sie saß da und hoffte, Gott möge die Weißen eines Tages unter unvorstellbaren Qualen zur Demut schleifen und ihnen vor Augen führen, dass schwarze Männer und schwarze Frauen […] ein Herz hatten wie andere Menschen, ein menschlicheres Herz als sie.“  

In dem autobiographisch angelehnten Roman „Von dieser Welt“ zeigt James Baldwin die Realität eines afro-amerikanischen Jungen in einer streng religiösen Gemeinde des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Dabei zeigt Baldwin den Lesenden ungeschönt ein Leben voller Rassismus, erleidender und gleichzeitig ausführender Diskriminierung und Gottesfurcht, die als Rechtfertigung für den permanenten und nicht zu beschreibenden Hass genutzt wird.

Der Protagonist John Grimes erfährt an seinem vierzehnten Geburtstag erneut, welche Privilegien des gesellschaftlichen Lebens ihm nicht gewährt werden: Er entdeckt die sündige Stadt der weißen Welt – und besucht danach mit seiner Familie die Andacht der Gemeinde. Hin- und hergerissen zwischen diesen zwei Welten erleidet John einen inneren Kampf, in dem er sich für oder gegen Gott und seinen damit von der Gesellschaft vorbestimmten Weg entscheiden muss: Er soll Priester werden, wie sein Vater.

Der Besuch der Andacht bildet die Rahmenhandlung der Geschichte. Dazwischen vertieft Baldwin im zweiten Teil des dreigeteilten Romans zudem drei Schicksale und ihren steinigen Weg zum Glauben. Dabei geht es um Johns Mutter Elizabeth, seinen Vater Gabriel und dessen Schwester Florence, die sich allesamt mit ihren Vergangenheiten konfrontiert sehen: Sie versuchen zu fliehen, finden jedoch kein Entkommen.

Zwischen prophetischen Versen und biblischen Referenzen, bildhaften Darstellungen und familiärer Zerrissenheit erleben wir Emotionen, die von Gottesfurcht über Wut, Hoffnung und Trauer bis hin zu Akzeptanz und Einsicht reichen. Johns Glaube, seine religiöse Entwicklung und seine Sicht auf Religion werden durch die Verwendung biblischer Rhetorik verdeutlicht: „Doch Blut schrie nach Blut, so wie Abels Blut aus dem Boden schrie. Nicht umsonst stand geschrieben: ‚Wer glaubt, der flieht nicht’“ Und so bleibt bis zuletzt die Frage: Glaubt John oder glaubt John nicht, und woran überhaupt?

„Von dieser Welt“ stellt nicht nur Themen wie häusliche Gewalt, Alkoholmissbrauch und Ehebruch dar, sondern auch weitere prekäre Themen wie Sklaverei und Rassismus, Polizeigewalt, Mord und Vergewaltigung. Baldwin bringt den Lesenden durch eine intensive, emotionale Erzählweise die Realität des Protagonisten nahe. Trotz des originalen Erscheinungsdatums (1953) scheint der Roman zeitgenössischer denn je, fesselt die Lesenden mit komplexen Verhältnissen und Schicksalswendungen, die auch nach Beendigung der Lektüre lange nachhallen.

James Baldwin war nicht nur ein herausragender Autor, sondern auch ein inspirierender, wegweisender Menschenrechtler. In den 1960er Jahren setzte er sich für die Gleichberechtigung aller Menschen ein, egal welche Hautfarbe, Sexualität oder Herkunft sie hatten. Besonders aktiv war er im Kampf gegen Rassismus und für Gleichberechtigung. Nicht nur aus diesem Grund ist die Lektüre seiner Werke eine Bereicherung.