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Titelbild
Ellensohn, Susanne:
Der lange Hans oder die heimliche Flucht
Hamburg: Oetinger 1999
188 S.

Ellensohn, Susanne: Der lange Hans oder die heimliche Flucht

Riesige Kindheit

von Dagmar Goldbach (2000)

Die Kindheit als glücklichste und unbeschwerteste Zeit des Lebens? Eine ganz andere Geschichte erzählt die österreichische Autorin Susanne Ellensohn: Als „lediges Kind“ bekommt Hans früh die gesellschaftlichen Härten seiner Zeit zu spüren. Die „Ochsenwirtin“, auf deren Hof Hans mit seiner Mutter lebt, erwartet von dem Jungen, dass er für sein „Dach über dem Kopf“ arbeitet wie ein Knecht: Kartoffeln schälen, den Hof kehren, Holz hacken, Kühe melken, den Stall ausmisten ... Auch die Nachbarskinder müssen auf den Höfen ihrer Eltern helfen, dürfen aber dennoch zur Schule gehen und ihre knappe Freizeit genießen. Beinah noch schlimmer ist es für Hans, dass er durch seine ungewöhnliche Größe immer mehr zum Außenseiter wird. Erst als er sich in seiner Verzweiflung entschließt, mit einer Schaustellertruppe auf Wanderschaft zu gehen, fühlt er sich angenommen: „Sei willkommen, Riesenkind! Ich bin Signore Carlo, der Zwerg!“ Zwar muss sich Hans nun täglich den Augen einer sensationslüsternen Menge stellen, kann aber dabei lernen, seine Größe als Teil seiner Selbst zu akzeptieren.

Der historische Kinderroman – ausgezeichnet mit dem Astrid-Lindgren-Preis – spielt in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts in einer kleinen oberösterreichischen Dorfgemeinde. Gerade ist das Gesetz zur allgemeinen Schulpflicht verabschiedet worden, die Brisanz dieser Neuerung wird in Gesprächen zwischen Bürgermeister, Pfarrer und Lehrer des Ortes vorgeführt. Denn viele Eltern sträuben sich auch aus wirtschaftlichen Gründen dagegen, ihren Kindern diesen Freiraum des Schulbesuchs zuzugestehen. Die unterschiedlichen Motive der Figuren werden beleuchtet, nicht nur durch dieses Nebeneinander bleibt der Ton des Erzählens sachlich, leise und unaufdringlich. Nie verfällt die Autorin in sprachliche und inhaltliche Klischees, auch nicht, wenn sie die schwierige, mitunter tragisch anmutende Situation des jungen Protagonisten beschreibt. So entsteht ein Bild, das zwar differenziert kritisiert, aber kindliche Lesende weder kognitiv noch emotional überfordert.

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