Kordon, Klaus (Text) und Dagmar Geisler (Illustration): Robinson, Mittwoch und Julchen
Reif für die Insel?
von Solveig Thomas (2000)
Eigentlich glaubte der elfjährige Jo, seine Eltern seien pädagogisch richtig fit. Während des gemeinsamen Österreich-Urlaubs aber fühlt er sich sträflich vernachlässigt und stiehlt, um ihnen eins auszuwischen, den „Robinson Crusoe“ aus dem Dorfsupermarkt. Unglücklicherweise wird er dabei nicht erwischt und muss deshalb seine Eltern auch noch persönlich auf seine fortschreitende Verwahrlosung hinweisen. Als diese sich daraufhin mit einem Schlauchboot und einer Angel bei ihm „freikaufen“, zieht Jo alleine los: Mit dem „Robinson“ im Gepäck entdeckt er im nahen See eine ,einsame Insel’ und wird dort in seiner Fantasie selbst zum Robinson. Als sich dann an einem Mittwoch auch noch ein „Freitag“, der 13-jährige, braun gebrannte Slowene Stane, zu ihm gesellt, sind die Abenteuerferien perfekt. Jo ist von seinem Freitag begeistert, der nicht nur „Weltmeister im Angeln, Fischekillen und Fischegrillen“ ist, sondern auch „im Sträucherroden, Ästeabschlagen und Hüttenbauen“. Die junge Männerfreundschaft wird jedoch durch das Auftauchen der elfjährigen Julchen gründlich erschüttert: In der Konkurrenz um ihre Gunst zieht Jo den Kürzeren und ist über sich selbst schrecklich bestürzt, als er bei seinem verzweifelten Versuch, Julchen Stane abspenstig zu machen, sogar zu rassistischen Argumenten greift.
Die personale Erzählweise dieser Feriengeschichte ermöglicht den Lesenden, sich in Jo hineinzuversetzen und sich mit ihm zu identifizieren. Kordon stellt die aufgewühlte Gefühlswelt des Pubertierenden durch Polarisierung eindrucksvoll dar: Während der „beleidigte Jo“ sich benimmt wie ein „bösartiger Giftzwerg“, erkennt der „andere Jo“ dieses Verhalten deutlich als unrecht und ist unglücklich über seine Ohnmacht, dem „beleidigten Jo“ Einhalt zu gebieten. Zwischen Größenfantasien und Selbstabwertung verliert er zunehmend den Kontakt zur Realität und zu seinen Freunden Stane und Julchen. Aber Kordon lässt seinen Protagonisten nicht auf der Stelle treten, sondern ihn im Durchleben seiner Abenteuer ein wenig reifer werden: Jo akzeptiert Julchens Entscheidung für Stane und söhnt sich mit beiden aus. Jetzt erst erkennt er, dass er weder dem Herren Robinson noch möglicherweise dem Diener Freitag gleicht, sondern dass er ein Mensch mit Stärken und Schwächen und somit seinem Freund Stane weder über- noch unterlegen ist.
Die Erzählung ist humorvoll, spannend und für den jugendlichen Leser sicherlich eine gute Unterhaltung. Auch für Erwachsene kann die Lektüre in Erinnerung an die eigene Pubertät zum Lese-Amüsement werden. Schade nur, dass der Verlag in der Taschenbuchausgabe nicht die ansprechenderen Illustrationen der Hardcover-Version von Jub Mönster übernommen hat.