Leseprobe „Die roten Matrosen“
„Ich glaube, ich weiß, was du denkst“, sagt die Mutter zu Helle. „Du möchtest, daß endlich Schluß mit all den Kämpfen ist, daß wirklich Frieden ist. Stimmt’s?“
Ja, das möchte er! Er hat es nicht so deutlich gewußt, aber jetzt, da die Mutter ihn fragt, weiß er, daß er das möchte. Er möchte nichts als endlich wirklich Frieden, als endlich keine Angst mehr haben zu müssen, weder um die Eltern noch um Onkel Kramer, Trude oder Atze.
„Wer möchte das nicht“, sagt der Vater. „Aber es geht nicht. Je nachgiebiger wir sind, desto mehr wird alles wieder, wie es war. Und so, wie es war, darf es nicht mehr werden.“
„Weißte“, sagt die Mutter leise zu Helle, „ich hasse jede Gewalt, schon beim Gedanken daran, daß einer einem anderen weh tut, werde ich zornig. Aber das habe ich nun gelernt: Wenn man Gewalt beenden will, muß man Gewalt anwenden – sonst unterliegt man ihr.“
„Es gibt welche“, denkt der Vater laut nach, „die wollen die Gewalt mit totaler Gewaltlosigkeit bekämpfen. Wenn das ginge ... schön wär’s! Aber ich glaube nicht daran. Ich glaube, daß die Gewalttäter über die, die sich nur mit frommen Sprüchen zur Wehr setzen, lachen.“
„Aber irgendwie haben die mit den frommen Sprüchen auch recht“, seufzt die Mutter. „Jede Gewalt erzeugt neue Gewalt.“
„Mag sein.“ Der Vater hat die Pistole mit Helles Hilfe gereinigt, nun setzt er sie mit seiner Hilfe wieder zusammen. „Die Frage ist nur, wofür kämpfst du? Und vielleicht noch, wie kämpfst du? Kämpfst du für eine gute Sache – oder für eine schlechte? Vermeidest du unnötige Grausamkeiten – oder macht es dir nichts aus, Menschen zu töten?“
(S. 240 f.)