Sammelrezension „Starbücher für Fans“
Baumann, Susanne: DAS GROSSE BACKSTREET BOYS FANBUCH
Mundi, Hans S.: Tic Tac Toe
So fern und doch so nah
von Claudia Rathmann (1997)
„Backstreet Boys”, „Kelly Family” oder „Tic Tac Toe” – Stars haben Hochkonjunktur. In ihrem Gefolge, immer dicht am Geschehen, finden sich die Fans. Zu Konzerten und anderen Medienereignissen reisen sie ihren Stars nach, bejubeln und beschenken sie, heischen nach Blicken und anderen Zeichen ihrer Aufmerksamkeit. Alles, was mit ihren Lieblingen zu tun hat, ist von Interesse: Kleidung, CDs, Poster, Geschirr, Stickeralben, etc. Ein echter Fan kennt den Lebenslauf seines Stars, seine Erfolge und auch Misserfolge. Er weiß Bescheid darüber, was seinen Star vorgeblich auszeichnet: seine Vorlieben und Abneigungen, seine Stärken und Schwächen, seine Träume und Wünsche.
Wichtige Informationsquellen bei dieser Star-Verehrung sind neben Zeitungsartikeln, TV-Beiträgen, Poster bzw. Picture-Books und Quizbüchern die so genannten Fanbücher. In allen Preislagen findet man sie in Buchhandlungen – wenn nicht auf Sondertischen, dann in der Sparte Biografien –, aber noch viel mehr in Kaufhäusern und Supermärkten. Hohe Auflagen sind damit garantiert.
Zwischen Poesiealbum und Tagebuch
Von den ,herkömmlichen’ Biografien berühmter Persönlichkeiten unterscheiden sich die Fanbücher in ihrer Aufmachung, ihrem Stil und in ihrer Intention. Als reichbebilderte und häufig mit Autogrammkarte ausgestattete Taschenbücher geben sie einen kurzen Abriss über den Lebenslauf des Stars, die Entwicklung seiner Karriere, seine größten Erfolge und vereinzelte Misserfolge oder Rückschläge. Abgerundet wird die Darstellung durch ein Verzeichnis aller lieferbaren CDs bzw. anderer Fan-Artikel sowie eine Liste von Fan-Clubs und anderen Stellen, bei denen man noch mehr über seinen Star erfahren kann. Die Struktur der einzelnen Bücher wirkt dabei ebenso wie die verwendete Sprache oft schablonenhaft und schematisch. Gerade bei unterschiedlichen Starportäts desselben Verlages sind auffällige Ähnlichkeiten festzustellen. In Fanbüchern steht nicht nur der Star, sondern auch der Fan im Vordergrund. Seine Interessen und Bedürfnisse sollen bedient werden, indem Alltag und Lebenswelt des Stars mit der Realität des Fans verknüpft werden.
Bei den Büchern, die sich den Boygroups widmen, geschieht das oft sehr direkt: Immer wieder werden die LeserInnen aufgefordert, ihren Star mit eigenen Worten zu beschreiben, das schönste Konzerterlebnis zu erzählen, Fotos einzukleben o. Ä. Darüber hinaus gibt es Platz, sich mögliche Begegnungen mit seinem Star einfach zu erträumen: „Wie würdest du reagieren, wenn du die Backstreet Boys einmal wirklich treffen würdest? Was würdest du sagen? Was würdest du sie fragen? Mal dir deinen Traumtag aus!“ (Baumann, S. 51)
Die so aufgebauten Fanbücher wirken wie eine Mischung aus vorgefertigtem Poesiealbum und Tagebuch: Informationen über die Stars und deren Selbstdarstellungen wechseln sich ungefähr zu gleichen Teilen ab mit Texten ihrer Verehrer. Diese Bücher fordern ihre Leser dazu auf, ,intime’ Gedanken und Gefühle zu offenbaren und vermitteln ihnen den Eindruck, eine exklusive und private Beziehung zu ihrem Star zu haben. So beginnt „DAS GROSSE BACKSREET BOYS FANBUCH” von Susanne Baumann mit den Worten:
Top secret!
Dieses Backstreet-Boys-Fanbuch
gehört __________ und
darf von NIEMANDEM ohne meine
ausdrückliche Erlaubnis
geöffnet und gelesen werden.
Eine solche Extremform der Verquickung von Star- und Fanleben verschafft den Lesenden in verstärktem Maße eine Illusion von Intimität. Stars werden zu virtuellen Freunden, mit denen die Fans im Sinne einer parasozialen Interaktion in Kontakt treten und die sie auf diese Weise in ihr Leben miteinbeziehen können.
Die sind ein Teil von mir!
Auffällige Tendenz in allen Fanbüchern ist die Betonung der ,Normalität’ der gefeierten Medienlieblinge. Von „Weltruhm ohne Starallüren“ und „Stars mit Bodenhaftung“ ist da die Rede. Manch eine Berühmtheit verneint ganz und gar, etwas Besonderes zu sein. Keine Spur von Überheblichkeit und Arroganz: Der Star von heute bleibt bescheiden und fühlt sich ganz den ihm zugeschriebenen Tugenden verpflichtet. Je nach Image – und vermutlich auch Adressatenkreis – werden die Medienlieblinge mal mit eher traditionell-konservativen oder gewollt provozierenden Idealen ausgestattet: Während die „romantischen“ „Backstreet Boys“ als vollendete Kavaliere der 90er Jahre von roten Rosen und „candle-light-dinner“ schwärmen, setzen „Tic Tac Toe“ ganz auf das „neue weibliche Selbstverständnis“ und präsentieren sich als „Idole mit Biss“.
Hier geht es also nicht mehr so sehr um die Betonung der herausragenden Fähigkeiten des Stars, sondern vielmehr um seine Würdigung als ,Privat’-Mensch. Dabei ist das Angebot an ,Ideal’-Menschen, auch innerhalb einer Star-Gruppe, so groß und differenziert, dass im Grunde jeder, der sich darauf einlassen möchte, seinen eigenen Star finden kann. Eine solche Darstellung lädt sicher nicht zu einer mystischen Verehrung ein, wie man sie sonst bei Idolen kennt. Es geht vielmehr darum, ein Gefühl von Übereinstimmung zu erzielen: Der Fan findet seine eigenen Einstellungen und Ideale in denen des Stars wieder, der damit mehr ist als nur eine berühmte Persönlichkeit aus den Medien. Er wird zum Bekannten oder gar zum Vertrauten, einer Person, deren Ansichten den eigenen in wesentlichen Punkten entsprechen. Im Gegensatz zu Idolen können solche Stars Einfluss auf die Lebensgestaltung ihrer Verehrer nehmen. Manche werden sogar zu Vorbildern – so wie „Tic Tac Toe“ für die dreizehnjährige Carola: „Die sind einfach toll, das ist ganz anders als diese Boygroups. Da ist man nur Fan, aber ,Tic Tac Toe’ sind mehr, die sind ein Teil von mir, so will ich auch sein!“ (Mundi, S. 18)
Fanbücher sind demnach mehr als nur Informationsquelle bei der Starverehrung. Sie befriedigen spezifische, oft stark emotionale Bedürfnisse ihrer Leser nach Freundschaft, Vertrautheit und Harmonie, aber auch nach Mut, Selbstsicherheit und Orientierung. Sie bieten ihnen einen Ort der Illusion, an dem Sehnsüchte formuliert und Fantasien ausgelebt werden können. Dies tun sie auf eine psychologisch sehr geschickte, aber nicht ganz unproblematische Art und Weise.