Hamann, Brigitte: Nichts als Musik im Kopf
„Ein Gott in der Musik“ ...
von Rüdiger Becker (1997)
... ein größeres Lob für einen Musiker ist wohl schwerlich denkbar als dieses Urteil über Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), ausgesprochen von keinem geringeren als seinem Komponistenkollegen Joseph Haydn.
Mozart, heute längst zur Kultfigur und zum Synonym für eine ganze musikalische Epoche geworden, erscheint dem Leser auch in Brigitte Hamanns Biografie zunächst als ein von der Natur mit Talent geradezu überschütteter Musiker. Doch dort, wo das Buch neben dem musikalischen Genie dem Menschen Mozart nachspürt, öffnet sich der Blick auf eine eher tragische Figur, die ihrem Beinamen Amadeus – „ein von Gott Geliebter“ – nur selten gerecht wird.
In chronologischer Reihenfolge schildert die Autorin in 33 Kapiteln ausführlich den Werdegang „Wolferls“, wie ihn seine Freunde nannten, vom viel bestaunten musikalischen Wunderkind bis hin zum gefeierten Komponisten. Ab seinem sechsten Lebensjahr gemeinsam mit der älteren Schwester Nannerl vom Vater und Lehrmeister Leopold auf ausgedehnten Tourneen quer durch Europa gehetzt, bleibt Mozarts Dasein auch später bestimmt von Unstetigkeit.
Auf die keineswegs ungetrübte Kindheit folgen weitere wenig glückliche Wanderjahre. Das Musizieren und vielmehr noch das Komponieren werden für Mozart immer stärker zum Ventil für vielfältige persönliche Enttäuschungen und Schwierigkeiten, wie der von Hassliebe geprägten Beziehung zu seinem strengen Vater oder der unglücklichen Liebe zur Sängerin Aloysia Weber. Sein Schaffensdrang, der immer neue Meisterwerke entstehen lässt, wird auch von wiederholten gesundheitlichen Schwächeperioden kaum gebremst. Doch häufige Stimmungswechsel von größter Euphorie und kindischem Übermut hin zu unsäglicher Trauer und Melancholie sowie das – trotz zeitweiliger grandioser Erfolge – verzweifelte Ringen um die Anerkennung seiner Kunst bleiben seine ständigen Wegbegleiter. So hofft Mozart, stets in Geldnöten, zeit seines Lebens vergeblich auf eine feste Anstellung als Hofkomponist. Das hindert ihn – an mangelndem Selbstbewusstsein weiß Gott nicht leidend – jedoch nicht an der Überzeugung, dass „alle anderen Kompositeurs wahre Esel“ seien.
Trotz der einfühlsamen Schreibweise, mit der die Historikerin Mozart nicht nur als einzigartigen Musiker, sondern auch als einen zwar schwierigen, aber dennoch liebenswerten Menschen zeichnet, lässt sie es nicht an der nötigen kritischen Distanz fehlen. Ungeschminkt berichtet sie auch über die Schattenseiten Mozarts: sein eher hässliches Äußeres, seine Kränklichkeit oder seinen Sinn für recht derbe, verletzende Späße.
Brigitte Hamann, deren Buch „Hitlers Wien“ derzeit Furore macht, schildert dies alles in einer einfachen und sehr lebendigen Sprache. Sie meistert dabei den schwierigen Spagat, zugleich Wissenswertes zu vermitteln und doch den Spaß am Lesen zu erhalten: Durch die anschaulichen Schilderungen alltäglicher Lebensgewohnheiten entsteht im Zusammenklang mit immer wieder wie nebenher eingestreuten Daten und historischen Details ein farbiges Bild einer gesamten Epoche. Vor allem aber sind es die zahlreichen Zitate und die vielen amüsanten, lebensnah wiedergegebenen Episoden, die diese Biografie so kurzweilig und nicht nur für Musikbegeisterte lesenswert machen. Eine aufschlussreiche Bebilderung sowie sinnvoll vereinfachte Notenbeispiele tragen ebenfalls zur Auflockerung bei und verleihen dem Buch zusätzlich einen dokumentarischen Wert.
Durch diese gelungene Mischung – lehrreich zu sein, ohne belehrend zu wirken – hebt sich das Buch wohltuend von der Mehrzahl anderer Musikerbiografien für jugendliche Leser ab, die entweder lediglich hübsche Geschichten ohne historischen Hintergrund erzählen oder ihre Leser mit tief schürfenden musikalischen Analysen überfordern. So dürften auch Jugendliche jenseits des von der Autorin vorgeschlagenen Lesealters von zwölf Jahren bei der Lektüre auf ihre Kosten kommen.