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Kirkegaard, Ole Lund:
Hodja im Orient
Aus dem Dänischen von Senta Kapoun
Mit Illustrationen des Autors und einem Nachwort von Hanns Grössel
Frankfurt a. M.: Fischer (Die Bücher mit dem blauen Band) 2008
144 Seiten
€ 14,90
Ab 8 Jahren
Kinderbuch

Kirkegaard, Ole Lund: Hodja im Orient

Von einem, der ausflog, die Welt zu erobern

von Jan-Helge Osmers (2008)

Ein kleiner Junge, ein verschlafenes kleines Dorf und …? Richtig: Zu einem spannenden Kinderbuch gehört das Abenteuer. Nehmen wir dazu die märchenhafte Kulisse aus Tausendundeiner Nacht, und wir sind bei der Wiederentdeckung der ereignisreichen Geschichte „Hodja im Orient“ von Ole Lund Kirkegaard (1970, dt. EA 1974).

Das Leben in Pjort, seinem Heimatstädtchen im Lande Bulgislav, langweilt den kleinen Hodja. Er sehnt sich in „die weite Welt hinaus“. Doch wenn er seinen Vater, die Fischer oder die Lastenträger um Hilfe bittet, erntet er nur verständnisloses Lächeln und Spott. Erst der alte Teppichweber el-Faza kann mit einer überraschenden Lösung in Form eines fliegenden Teppichs aufwarten. Hodja muss noch einige Startschwierigkeiten überwinden, schließlich jedoch fliegt er wie ein alter Fakir und kann zu seiner Entdeckungsreise aufbrechen.

Die Geschichte nimmt ihren Lauf, und Hodja gerät von einer Gefahr in die nächste. Mal hat man es auf seinen Teppich abgesehen, dann ist er kurz vorm Verhungern, mal wird er übers Ohr gehauen, und schließlich sitzt er, nackt bis aufs Hemd, im Kerker. Er erlebt Höhen und Tiefen und muss sich fast ohne Hilfe in der großen Stadt bewähren. Doch Hodja wäre nicht Hodja, wenn nicht mit den Herausforderungen auch sein Einfallsreichtum wüchse. Aus dem unwissenden und leichtgläubigen Jungen wird mehr und mehr ein pfiffiger, frecher und gewitzter Entdecker, der Hürden überwindet und sich in der großen, weiten Welt beweist.

Ole Lund Kirkegaard (1940 – 1979) verwendet in seiner Erzählung eine klare, bildreiche Sprache, die es Kindern leicht macht, sich in den Protagonisten hineinzufühlen. Durch einen unkomplizierten Erzählaufbau und einen schlichten Ton schafft er die Möglichkeit, eigene Fantasieräume zu erschließen. Auch bietet sein Buch eine Komik, die Kindern entgegenkommt, z. B. wenn Hodja einen Lastenträger hinters Licht führt und dessen Leichtgläubigkeit listig für seine Zwecke ausnutzt. An manchen Stellen richtet sich der auktoriale Erzähler direkt an den Leser und erklärt Geschehnisse, die eigentlich offensichtlich sind. So bestärkt er die Kinder in ihren eigenen schon gezogenen Schlüssen und bietet genügend Raum, sich die lustigen Szenen vorzustellen.

Kirkegaard zeichnet ein schlichtes, überkommenes, für die Entstehungszeit des Buches jedoch durchaus typisches Bild vom Orient mit eindimensionalen, stereotypen und zumeist unfreundlichen Charakteren. Auch thematisch entspricht das Buch dem Zeitgeist der späten 60er/ 70er Jahre, indem der Autor einen jungen Helden schafft, der zeigt, dass Erwachsene nicht immer recht haben müssen und dass es sich lohnt, seinen Ideen nachzugehen und an sie zu glauben. Man wächst mit seinen Herausforderungen.

Die Illustrationen stammen aus der Hand des Autors. In seinen witzig-karikaturhaften Federzeichnungen erschließt er einen weiteren Weg, die Vorstellungskraft der Kinder anzuregen.

„Hodja im Orient“ ist in der Reihe „Die Bücher mit dem blauen Band“ erschienen. In dieser neuen Reihe aus dem Fischer Verlag werden neben wiederentdeckten Kinder- und Jugendbuchklassikern auch neue Romane wie z. B. „Iwein Löwenritter“ (von Felicitas Hoppe) und außergewöhnliche Sachbücher veröffentlicht. Bemerkenswert für alle Bücher der Reihe ist die Qualität der verwendeten Materialien und die Ausstattung: Illustriert, gebunden in blaues Leinen und versehen mit einer zweifarbigen Prägung, steckt jedes Buch in einem Schmuckschuber mit ausgestanztem Fenster, durch welches das aufgeklebte Titelbild zu sehen ist. Ein blaues Lesebändchen hat der in jeder Hinsicht empfehlenswerten Reihe ihren Namen gegeben.

Es bleibt die Frage, welchen Sinn das Nachwort zu dieser Ausgabe hat und an wen es gerichtet ist. Doch dessen ungeachtet hat Ole Lund Kirkegaard mit „Hodja im Orient“ eine märchenhafte Abenteuergeschichte geschrieben, die auch für heutige Kinder durchaus lesenswert ist.

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