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Bauer, Michael Gerard:
Nennt mich nicht Ismael!
Aus dem Englischen von Ute Mihr
München: Hanser 2008
304 S.
€ 12,90
Kinderbuch ab 10 J.

Bauer, Michael Gerard: Nennt mich nicht Ismael!

Der „Sag-deinen-Namen-und-du-kannst-einpacken-Schlamassel“

von Daniela Voitl und Nora Wagner (2008)

Eine hochschwangere Frau, die sagt, dass sie sich wie ein Wal vorkommt, ein werdender Vater, der daraufhin mit einer Holzbeinattrappe den rachsüchtigen Kapitän Ahab aus „Moby Dick“ mimt, ein triumphierender Ausruf: „Da bläst sie!“, als die Frau prustend vor Lachen einen Schluck Wasser in hohem Bogen ausspuckt – und wenige Minuten später erblickt ein kleiner Junge das Licht der Welt. Alles scheint möglich, doch dann besiegelt der frischgebackene Vater voller Stolz das Schicksal des Kindes mit dem Zitat: „Nennt mich Ismael!“ Ja, Ismael hat seinem Vater wirklich viel zu verdanken!

Ismael Leseur ist 14 Jahre alt und nach eigener Aussage der „Bürgermeister von Versagerhausen“. Dies liegt zum einen daran, dass seine Schwester ein „Fast-Genie“ ist, weshalb es ihr in der Schule gelingt, ein ganzes Heer ausstellungsreifer ‚prominenter’ Klammerfiguren zu basteln, während er selbst lediglich einen „schwarzen Klumpen“ zustande bringt. Zum anderen jedoch – und das ist sein Hauptproblem – leidet er zweifelsohne an dem einzigartigen „Ismael-Leseur-Syndrom“, was eigentlich nur daran liegen kann, dass Ismael Leseur einfach ein „scheißblöder Name“ ist.

Ein „scheißblöder Name“? Eigentlich ja nicht – wären da nicht Barry Bagsley und Konsorten, die ein schier unerschöpfliches Repertoire an kreativen Einfällen besitzen, seinen Namen zu verunstalten. So gelingt es ihnen immer wieder, Ismael den Schulalltag zur Hölle zu machen. Seine einzige Überlebensstrategie besteht darin, die Schikanen wortlos hinzunehmen und ansonsten möglichst unsichtbar zu bleiben. Bis James Scobie neu in die Klasse kommt …

James Scobie ist anders – und zwar „gerade um so viel anders, dass er genau in der Gefahrenzone steht“. Seine mickrige Gestalt, seine spastischen Zuckungen und sein zwanghafter Ordnungssinn sollten ihn eigentlich zu einer perfekten Zielscheibe machen, doch ganz im Gegenteil hindert ihn diese Andersartigkeit nicht daran, sich ‚Bully Bagsley’ entgegen zu stellen. Scheinbar ohne einen Hauch von Angst gelingt es ihm, sich durch die Macht der Sprache Respekt zu verschaffen und Bagsley in seine Schranken zu weisen. Doch auch für Ismael ändert sich einiges: Dank Scobie findet er sich ganz plötzlich als Mitglied eines neu gegründeten Debattierclubs wieder. Dort soll er an der Seite von Bill Kingsley, dem „Science-Fiction/Fantasy-Freak“, Oratio Zorzotto, dem Möchtegern-Frauenschwarm und Ignatius Prindabel, dem wandelnden Lexikon, seine Schule bei einem großen Debattierwettbewerb vertreten. Ausgerechnet Ismael!

Und es kommt noch schlimmer: Obwohl ihm fest zugesagt wurde, er müsse ausschließlich recherchieren und keinesfalls debattieren, erreicht ihn eines Tages ein Anruf von Scobie, der ihn bittet, für Bill Kingsley einzuspringen: „Es ist ganz allein deine Entscheidung. Aber es sieht so aus: Uns fehlt ein Mann. Wenn wir keinen Ersatz finden, müssen wir aufgeben. Und wenn wir aufgeben, kommen wir nicht mehr ins Finale. Es ist einfach so, dass du der Einzige bist, der Bill Kingsley ersetzen kann. Sonst ist niemand da.“ Na großartig!

Ein flotter, aber ausgesprochen sensibler Schreibstil sowie eine hervorragende Beobachtungsgabe und viel Feingefühl bei der Auswahl seiner Protagonisten zeichnen Michael Gerard Bauer als Kinder- und Jugendbuchautor aus. Er schreckt auch vor schwierigen Themen nicht zurück und schafft es, diese – mit angemessener Distanz und einer gehörigen Portion Humor – zielgruppenorientiert aufzubereiten. In „Nennt mich nicht Ismael!“ gelingt es ihm, die Ernsthaftigkeit, die das Thema ‚Mobbing’ erfordert, mit einem tollen Sprachwitz zu vereinen.

Das Buch schildert die Erlebnisse eines Außenseiters, der erst durch eine ungewöhnliche Freundschaft das nötige Selbstbewusstsein erlangt, sich gegen seine Mitschüler zu behaupten. Es ist eine Geschichte, die berührt, weil es in jeder Klasse immer einen Barry und einen Ismael geben wird, und eine Geschichte, die aufrüttelt, weil es viel mehr Menschen wie James Scobie geben könnte, wenn diese nur den Mut hätten, sich einzumischen.  

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