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  • Titelbild Enlarged view:
    Dahl, Roald:
    Matilda
    Deutsch von Sybil Gräfin Schönfeldt.
    Illustriert von Quentin Blake.
    Hamburg: Rowohlt 2001.
    (rororo rotfuchs 21182)
    (Originalausgabe 1988)
    256 S., € 12,90.

    Oder auch:
    Hamburg: Rowohlt 2004.
    (rororo rotfuchs 20855)
    192 S., € 6,50.
  • Filmposter Enlarged view:
    Matilda
    USA 1996.
    Regie: Danny DeVito.
    Länge: 95 Min.
    Video-Erscheinungstermin: 1998.
  • Titelbild Enlarged view:
    Dahl, Roald:
    Danny oder Die Fasanenjagd
    Aus dem Englischen von Sybil Gräfin Schönfeldt.
    Illustriert von Philip Waechter.
    Hamburg: Oetinger 1999.
    (Oetinger Auslese)
    (Originalausgabe 1975)
    208 S., € 7,50.

    Auch als TB:
    Illustriert von Quentin Blake.
    Hamburg: Rowohlt 2001.
    (rororo rotfuchs 21184)
    224 S., € 5,90.
  • Filmposter Enlarged view:
    Danny, der Champion
    Großbritannien 1989.
    Regie: Gavin Miller.
    Länge: 94 Min.
    Video-Erscheinungstermin: 1992.

Sammelrezension „Matilda und Danny - Verfilmungen von Kinderbüchern Roald Dahls“
Dahl, Roald (Text) und Quentin Blake (Illustration): Matilda
DeVito, Danny  (Regie): Matilda
Dahl, Roald (Text) und Philip Waechter/Quentin Blake (Illustration): Danny oder Die Fasanenjagd 
Miller, Gavin (Regie): Danny, der Champion

Wirklich einzigartig!

von Sabine Elias (1997)
„Das Nette an Matilda war: wenn man sie zufällig traf und sich mit ihr unterhielt, hätte man sie für ein vollkommen normales fünfeinhalbjähriges Kind gehalten. Fast nichts deutete auf ihre Begabung hin, und sie gab auch niemals an.“

Matilda ist ein Mädchen mit ungewöhnlichen Fähigkeiten: Schon als Baby kritzelt sie fehlerfrei ihren Namen in den Spinatbrei. Im Alter von vier Jahren hat sie sämtliche Zeitschriften des elterlichen Haushalts gelesen und bald wird sie die jüngste Besucherin der Stadtbibliothek. Mit Begeisterung verschlingt Matilda sämtliche Bücher der Kinderabteilung, bevor sie sich der Weltliteratur der Erwachsenen zuwendet: Dickens, Hemingway, Melville – kein Autor scheint Matilda zu anspruchsvoll, kein Roman zu umfangreich. Zu Hause stößt sie mit ihrer außergewöhnlichen Lesefertigkeit auf tiefes Unverständnis: „‚Wo kommt denn der ganze Schrott her?’ – ,Aus der Bücherei.’ – ,Der Bücherei? Du warst doch noch nie in der Bücherei. Du bist doch erst vier Jahre alt!’“ Nur schwer kann Matilda ihre Eltern von ihrem tatsächlichen Alter überzeugen: Sechseinhalb ist sie schon – und längst reif für die Schule!

Dort gerät Matilda unter das Regiment der Ex-Olympionikin Agatha Knüppelkuh. Die Direktorin verabscheut Kinder zutiefst: „Missgeburten, Maden, Pisswürmer“ – ihr Schimpfwortrepertoire ist unerschöpflich! Einzig Fräulein Honig, die engagierte Klassenlehrerin, nimmt Matildas geniale Fähigkeiten wahr: Das Mädchen kann nicht nur außergewöhnlich gut lesen und rechnen, es besitzt zudem eine „enorme Geisteskraft“, die Gegenstände und Personen zu Flugobjekten werden lässt. Und so gelingt es Matilda schließlich, der abergläubischen Knüppelkuh eine wahre Lektion zu erteilen. Die Geschichte endet wie im Märchen: Die Eltern fahren für immer in Urlaub und Matilda wird von ihrer geliebten Klassenlehrerin adoptiert.

Unter der Regie von Danny de Vito ist ein Film entstanden, der – ebenso wie der gleichnamige Roman Roald Dahls – egozentrischen und geistlosen Eltern einen unerbittlichen Spiegel vorhält. Herr und Frau Wurmwald sind zu Prototypen eines amerikanischen Konsumehepaares karikiert: De Vito selbst spielt den Vater, einen kriminellen Gebrauchtwagenhändler, der seine eigene Tochter für eine „Klugscheißerin“ und College-Studenten für „Hippies“ und „Klugschwätzer“ hält und der seine Freizeit am liebsten mit Fast Food vor dem Fernseher verbringt. Rhea Pearlman als Matildas Filmmutter ist passionierte Bingospielerin und verschwendet erhebliche Zeit mit der Pflege ihres schrillen Äußeren. Für sie bleibt die Tochter ein Brief mit sieben Siegeln. Zu dieser Karikatur eines Lebensstils, bei dem die Befriedigung der materiellen und lustbetonten Bedürfnisse an erster Stelle steht, bildet die Welt der Kinder den ideellen Gegenpart. Mit Mut, Durchsetzungskraft und einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn erheben sie sich mit Matilda zum Widerstand gegen die Welt der Erwachsenen. Übersinnliche Fähigkeiten geraten dabei jedoch nie zum Selbstzweck: „Das, was Matilda vorhatte, konnte man nur als heldenhaft bezeichnen.“

Matilda ist ein Kinderfilm – und ist es auch wieder nicht. De Vito bedient sich ungeniert der filmischen Konventionen des Genres, um die Dahl’sche Romanvorlage zu interpretieren: Die Geschichte wird einsträngig aus der Perspektive der Hauptfigur erzählt. Sprecherkommentare aus dem Off raffen größere Zeitabschnitte und stellen so immer wieder den Gesamtzusammenhang her. Die Direktorin ist sowohl in der Besetzung mit Pam Ferris als auch filmtechnisch vortrefflich den Buchillustrationen Quentin Blakes nachempfunden. In kindlicher Verzerrung wird sie mithilfe von Groß- und Detailaufnahmen und geschickter Wahl der Kameraperspektive als monströse Figur gezeichnet, die alle makabren Elemente der Dahl-Story in sich vereinigt – insbesondere für jüngere Kinder keine leichte Kost! Der Dahl' sehe Sprachwitz wird zumindest in der deutschen Synchronfassung nur sparsam verwendet: „Darles Chickens – das ist mein Lieblingsautor.“ Dagegen bieten die zahlreichen Trickaufnahmen für Kinder viele Gelegenheiten zum Lachen: Uhrzeiger und Kartons werden wie von Geisterhand bewegt, Mohrrüben, Pralinen, Puppen und sogar Kinder fliegen durch die Lüfte, ohne je Schaden zu nehmen. Bunt und turbulent geht es zu, und wenn Mara Wilson alias Matilda auf dem Tisch tanzend die Bingokarten ihrer Mutter durch das Zimmer fliegen lässt, mag sie zum Star für viele ihrer kleinen Zuschauerinnen und Zuschauer werden.

Leisere Töne schlägt „Danny, der Champion“ an. Die Geschichte spielt irgendwo im England der 50er Jahre. William Smith und sein Sohn Danny leben zurückgezogen in einem Wohnwagen auf einem Stückchen Land. Nach dem Tod seiner Frau verdient der ehemalige Lehrer den Lebensunterhalt mit einer kleinen Tankstelle und angeschlossener Autowerkstatt. Danny geht ihm dabei umsichtig und verantwortungsbewusst zur Hand. Er sei – so behauptet William stolz – der „beste neun Jahre alte Automechaniker der Welt“. Nicht nur im Film sind die beiden Vater und Sohn: Jeremy und Samuel Irons spielen das Gespann, bei dem Partnerschaft und Gleichberechtigung groß geschrieben werden. William ist Dannys großes Vorbild. Der Junge bewundert ihn, setzt sich aber auch kritisch mit ihm auseinander: „Ich hasse dich, wenn du das tust!“ Das Bild vom fantastischen Vater wird getrübt, als Danny per Zufall dessen tradierte Familienleidenschaft entdeckt – das Wildern. Die anfänglichen Bedenken des Jungen verfliegen, als er vom Vater in die Geheimnisse dieser Kunst eingeweiht wird. Für William ist das Wildern – im Gegensatz zum organisierten Mord, der Treibjagd – eine „aufregende, schwierige Sportart, bei der Jäger und Beute einander ebenbürtig seien“. So unternimmt er mit Dannys Einverständnis immer wieder nächtliche Ausflüge in den Wald des Großgrundbesitzers Hazell, der ihn zum Verkauf seiner Parzelle bewegen will, weil er den Ausbau des Dorfes zu einer großen Stadt plant. Der schmierige Spekulant Hazell gibt vor, die größte Fasanenjagd Englands ausrichten zu wollen. Der Konflikt mit Hazell findet seinen Höhepunkt in einer spannenden Nacht-und-Nebel-Aktion, in der Danny seinen Vater aus einer Wildererfalle rettet: eine Umkehrung der traditionellen Vater-Sohn-Beziehung. In der Schule setzt sich der Junge mutig gegen die Disziplinierungsmaßnahmen des neuen Lehrers Captain Lancaster zur Wehr. Auch hier handelt Danny stets tugendhaft: Weder verpetzt er seine Mitschüler, noch will er Unterstützung von seinem Vater – im Gegenteil: „Du hast immer gesagt, solche Kämpfe muss ein großer Junge alleine austragen!“

Unter der Regie von Gavin Miller ist nach dem Dahl’schen Roman „Danny oder Die Fasanenjagd“ ein zur Identifikation einladender Kinderfilm entstanden. Die Personen sind stereotyp-märchenhaft gezeichnet: Hazell, ein Zigarre rauchender, pomadiger Dickwanst mit seinen verschlagenen Gehilfen, sowie der tyrannische Lehrer sind die Bösewichte. Für die Gerechtigkeit kämpfen neben Danny und William ein Polizist, ein Dorfarzt und der gutmütige Schulrektor. Für Kinder bietet der Film zahlreiche Evasionselemente: Das Basteln in der Werkstatt, die Wilderergeschichten des Vaters, die Einweihung in die ,Gefahren’ der Erwachsenenwelt ermöglichen den kindlichen Zuschauerinnen und Zuschauern das Entgleiten aus ihrer Alltagswirklichkeit und die Befriedigung eigener Wünsche und Bedürfnisse gleichsam stellvertretend durch die filmischen Inhalte. Die Geschichte wird linear abwechselnd aus der Perspektive Dannys und Hazells erzählt, wobei die verschiedenen Handlungsstränge vergleichend montiert werden. Die so erzeugte Spannung wird durch den Einsatz von Schuss-Gegenschuss-Schnittverfahren, die musikalische Gestaltung und das oft schattenreiche Spiel von Hell und Dunkel verstärkt.

Zum wahren Helden avanciert Danny schließlich mit einer genialen Idee, wie man dem herzlosen Gutsbesitzer Hazell seine Treibjagd verderben könne. Wenn das funktioniert, dann wird Danny der uneingeschränkte Champion im Wildern sein! Der Plan eines organisierten Fasanendiebstahls und dessen minutiöse Durchführung verdichten sich zum Höhepunkt des Films. Alles wendet sich zum Guten: Die Pläne des Spekulanten werden durchkreuzt und William kann neidlos zugeben: „Ich war das nicht. Es war Danny. Wenn er mich nicht im Wald aus der Wildererfalle befreit hätte, hätte Hazell mich gezwungen, mein Land zu verkaufen.“ Der Film endet, wie es sich für einen Champion gehört: Singend und jubelnd feiern die Dorfbewohner Danny auf den Schultern des Vaters. Ein dreifaches Hipphipphurra!