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Titelbild
Freedman, Russell:
Die großen Häuptlinge
Aus dem Amerikanischen von Nina Schindler.
München: Bertelsmann 2000.
(Omnibus 20698)
(Erstausgabe 1997)
160 S., € 6,45.

Freedman, Russell: Die großen Häuptlinge

Winnetous wirkliche Brüder

von Otto Brunken (1997)

Russell Freedman, der in den letzten Jahren mit zahlreichen US-amerikanischen Preisen ausgezeichnete Jugendschriftsteller, präsentiert in seinem packend geschriebenen Buch sechs Einzelbiografien großer Indianerhäuptlinge, die durch Führungskraft, Mut, Unerschrockenheit und noble Gesinnung noch heute berühmt sind. Das Sachbuch versetzt den jugendlichen Leser in den amerikanischen Westen um die Mitte des 19. Jahrhunderts: Mit der Ausrottung der riesigen Bisonherden durch die weißen Jäger und Siedler wird den Indianern die Lebensgrundlage geraubt, eingeschleppte Krankheiten dezimieren die Stämme, Knebelverträge besiegeln den Landraub. Jeder Häuptling muss sich entscheiden: Soll sein Volk sich weigern und kämpfen? Oder soll er mit den Weißen kooperieren und versuchen, so viel Land wie möglich zu retten und wenigstens einen Teil der eigenen Lebensweise zu behalten?

Freedmans Buch gibt darauf keine schlüssige Antwort, sondern weckt Verständnis für die unterschiedlichen Verhaltensweisen. Häuptling Waschaki vom friedliebenden Stamm der Shoshone z. B. kooperiert mit der US-Regierung, wird Ackerbauer, beteiligt sich sogar am Kampf gegen Blutsbrüder und ist am Ende seines Lebens bitter enttäuscht über den Bruch aller Zusagen. Rote Wolke von den Sioux, der die Weißen 1866 in der ,Schlacht der 100 Besiegten’ niederkämpft, schwört später dem bewaffneten Kampf ab, wird ein hoch geachteter Unterhändler für die Interessen seines Stammes und dann doch durch die weißen Behörden gedemütigt. Der ,indianische Napoleon’ Joseph bringt den Weißen schwerste Niederlagen bei, muss sich aber schließlich nach der Niedermetzelung seines Stammes in das Indianer-Territorium nach Oklahoma zurückziehen. Und auch Sitting Bull, unsterblich geworden durch die Schlacht am Little Bighorn, die für die amerikanische Armee zu einem Desaster wurde, kapituliert. Später tritt er mit dem legendären Buffalo Bill in Wildwest-Shows auf. Die indianische Kultur ist zerschlagen und selbst jede spirituelle Erneuerung wird im Keim erstickt: Die ,Geistertanzbewegung’ endet 1890 mit dem berüchtigten Massaker am Wounded Knee.

Freedmans Buch ist stellenweise erschütternd zu lesen – vielleicht gerade, weil es so nüchtern historisch geschrieben ist und Beteiligte beider Seiten zu Wort kommen lässt. Authentizität schafft der Einsatz zahlreicher ,0-Töne’ aus Reden, Augenzeugenberichten, Lebenserinnerungen und Verträgen. Viele Fotos und historische Abbildungen beleben den Text. Lobenswert sind die einführenden Hinweise auf die Differenzierung des ,Häuptling’-Systems.

Leider sind der deutschen Ausgabe die Quellenverweise des Originals nicht beigegeben. Ein Glossar wäre vonnöten gewesen, zumal die Terminologie uneinheitlich ist (z. B. wird derselbe Stamm zunächst als „Kiowas“, später als „Nadi-Ischa-Dena“ geführt). Die beigefügte Karte ist wenig hilfreich, da in den Biografien genannte geografische Bezeichnungen kaum enthalten sind. Vielleicht bringt ja der Verlag solche Nachbesserungen in weiteren Auflagen an – diese sind dem Buch herzlich zu wünschen.

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