Spinelli, Jerry: Der Held aus der letzten Reihe
Die Letzten werden die Ersten sein?
von Meike Ahrens (2004)
Eigentlich heißt Zinkoff Donald: Donald Zinkoff. Aber er selbst nennt sich nur bei seinem Nachnamen. Von seinen Mitschülern wird er nur ein einziges Mal bewundernd „Zinkomat“ genannt, und zwar als „er vermutlich aus purem Zufall über die einzige Eins seines Lebens gestolpert ist“. Dabei wird ihm gar nicht richtig klar, dass seine vermeintlichen Bewunderer gar nicht gratulieren, sondern ihn bloß verspotten wollen.
Zinkoff ist nicht wie die Anderen. Er hat keinen besten Freund, gewinnt nie, ist ungeschickt, hat die krakeligste Schrift der Klasse. Er fällt immer auf, sei es durch seine Lachanfälle bei komisch klingenden Wörtern oder wegen seiner Krankheit – ein Fehler des Schließmuskels der Speiseröhre, wegen dem er sich ständig und überall übergeben muss.
Aber Zinkoff ist glücklich. Er ist glücklich, wenn er Fahrrad fährt und sein Wohnviertel erkundet, oder wenn er Sternchen für besondere Tage von seiner Mutter an sein Hemd geklebt bekommt. Seine Mitschüler dulden ihn, sie haben sich an seine Sternchen, an sein Übergeben und seine Lachanfälle gewöhnt. Sie wissen, dass er morgens vor allen Anderen der Erste in der Schule ist. Erst als er beim alles entscheidenden Staffellauf in der Schule den riesigen Vorsprung seines Vorläufers vermasselt, und die gesamte Mannschaft das Spiel verliert, sprechen seine Mitschüler aus, was sie denken: „Versager!“
Berichtartig, nahezu neutral erzählt der vielfach ausgezeichnete Autor Jerry Spinelli von dem unerschütterlichen Selbstvertrauen eines ganz besonderen Außenseiters. Tragisch und erfrischend zugleich sind die alltäglichen Situationen in Zinkoffs Leben, in denen er durch seine Naivität und Fröhlichkeit sein Außenseiterdasein gar nicht wahrzunehmen scheint. Und doch möchte man ihm so manches Mal zurufen: ‚Mensch, lass dich doch nicht immer so ärgern!’ und ist zugleich sprachlos angesichts dieses ganz besonderen Helden, der trotz der ständigen Ernüchterungen und Misserfolge den Glauben an sich nicht verliert.
Der Wechsel in die Mittelschule stellt den unerschütterlichen Optimismus Zinkoffs erneut auf die Probe: Er wird vom Versager zum Niemand. In der unüberschaubaren Masse der Schüler geht er verloren, nicht einmal das Verlieren hebt ihn noch hervor. Beim Basketballspielen auf dem Schulhof wird er einfach nicht gewählt, im Schulorchester wird sein schiefes Flötenspiel bewusst überhört. „Aber er gibt nicht auf, und niemand sagt ihm, er brauche nicht mehr wiederzukommen.“
Ein verschneiter Nachmittag im Winter ist es, der sein Außenseiterleben verändert. Als er von der Schule nach Hause kommt, ist das 3-jährige Nachbarsmädchen Claudia im Schneesturm von zu Hause weggelaufen. Sanitäter und Feuerwehr suchen nach ihr. Zinkoff ist wildentschlossen: „Ich werde sie finden.“ Doch auch diesmal wird aus Zinkoff kein wirklicher Held …