Sachar, Louis: Bradley – letzte Reihe, letzter Platz
Wie hört man auf, ein Monster zu sein?
von Annika Brands (2004)
Bradley Chalkers ist ein Außenseiter. In der Schule sitzt er ganz hinten: „letzte Reihe, letzter Platz“. Niemand möchte neben ihm sitzen. Er ist eine Insel. Am liebsten wäre er unsichtbar. Bradley lebt in seiner eigenen Welt. Er stört im Unterricht, lügt, verheimlicht und ist der unbeliebteste Junge der ganzen Schule. Er ist es gewohnt zu hassen und gehasst zu werden. Auch zu Hause fühlt sich Bradley nicht verstanden. Am wohlsten fühlt er sich in seiner kleinen Traumwelt, bei seinen Spielzeugtieren. Das rote Kaninchen Kim und der Bär Bartholomäus sind seine besten Freunde.
Jeff, der Neue in der Klasse, hat nichts dagegen, neben Bradley zu sitzen. Er versucht sogar, sich mit ihm anzufreunden, doch Bradley ist unsicher, wie er der ungewohnten Zuneigung begegnen soll: „Gib mir einen Dollar oder ich spuck dich an!“
Nicht nur Jeff, sondern auch die Psychologin Carla Davis ist neu an Bradleys Schule. Beide Figuren sind für Bradleys Entwicklung entscheidend. Jeff, der Bradleys Freund wird und Carla, die ungewöhnliche und liebenswürdige Schulpsychologin, die sich mit Geschick, Klugheit und Liebe Bradleys annimmt.
In den Gesprächen mit Carla erleben wir einen Jungen, der nicht nur unausstehlich ist, sondern vor allem einsam und unsicher einen Weg in die Gemeinschaft sucht. Doch dies ist ein langer und komplizierter Weg, der einige Schwierigkeiten in sich birgt. Viele Schüler kennen diese Probleme: Wie gewinnt man Freunde? Wie gehört man dazu?
Ermutigt von der Psychologin Carla, die ihn durch ihre strahlenden blauen Augen und ihre unvoreingenommene Art beeindruckt, entwickelt sich Bradley mit der Zeit zu einem selbstbewussteren Jungen. Allmählich verlässt er seine Traumwelt und versucht, die anderen davon zu überzeugen, dass er nicht das Monster ist, das alle Mitschüler in ihm sehen. „Du bist nicht mal ein Mensch! Du bist ein Monster! Du bist ein Monster aus dem Weltall!“
Doch nachdem der schwierigste Part hinter ihm liegt, er sogar zu einer Geburtstagsparty eingeladen wurde, muss Carla die Schule verlassen. Bradley kommt es vor wie der Untergang seiner gerade neu gewonnenen Zuversicht. Jetzt liegt es an ihm, schafft er es allein, oder flüchtet er zurück in die gewohnte Einsamkeit?
Spannend erzählt Louis Sachar, amerikanischer Autor u. a. des Bucherfolges „Löcher“ (Verfilmung 2003), die Geschichte eines verhaltensauffälligen Jungen, für den es nicht leicht ist, Anschluss zu finden. Bradleys Angst, Unsicherheit und Traurigkeit, aber auch seine Liebenswürdigkeit werden verständlich und lebensnah dargestellt, wozu Sachars natürliche, unverkrampfte Schreibweise beiträgt. Er wird der Ernsthaftigkeit des Themas immer gerecht, regt aber nicht nur zum Nachdenken, sondern mitunter auch zum Schmunzeln an. Ein Buch, das sich insbesondere an Kinder richtet, die sich in der Schule allein und missverstanden fühlen und nicht die Kraft finden, sich ihren Problemen zu stellen.