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Titelbild
Mankell, Henning:
Der Hund, der unterwegs zu einem Stern war
Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch.
Hamburg: Oetinger 1999.
(Erstauflage 1992)
176 S., € 10,90.

Auch als TB:
München: dtv 2001.
(dtv junior 70671)
192 S., € 6,50.

Mankell, Henning: Der Hund, der unterwegs zu einem Stern war

Erfolgreiche Suche

von Annette Toennies (1996)

Joel ist seine „eigene Mama“. Jeden Tag geht er zur Schule, kauft ein, verbringt den Nachmittag und kocht Kartoffeln. Abends kommt Papa Samuel müde und hungrig von der Arbeit aus dem Wald. Früher war Papa Samuel Seemann. Irgendwann ist er mit ihm und seiner Mama Jenny nach Nordschweden gezogen. „Aber wo war Mama Jenny jetzt?“ Warum ist sie weggegangen? Die alte Westmann von unten sagte einmal, dass sie die Unruhe gehabt hätte.

Joel hat so viele Fragen an Papa Samuel, aber immer wieder verschiebt er sie. An der Schwere oder der Beschwingtheit von Papa Samuels Schritten kann er hören, ob sein Vater in Erzählstimmung ist oder ob er möglichst überhaupt nichts sagen soll. Joel ahnt, dass Papa Samuels „Traurigkeit mit Mama Jenny und dem Meer zusammenhängen muss“.

Genau so wäre sein Leben endlos weitergegangen, hätte er nicht in einer Nacht den einsamen Hund gesehen, der suchend durch die eiskalte Winternacht lief. Joel denkt, dass der Hund vielleicht auf dem Weg zu einem weit entfernten Stern sei. Mitten in der Nacht steht er auf und versucht, den Hund zu finden. Auf diese Weise beginnt sein Abenteuer. Er gründet einen Geheimbund, dessen einziges Mitglied er selbst ist; die wichtigsten Ereignisse schreibt er in ein Notizbuch, sein „Logbuch“.

Plötzlich überstürzen sich die Ereignisse: Papa Samuel bringt zu Joels großem Entsetzen Sara, die Kellnerin aus der Bierstube, mit. Als Joel eines Nachts von seinen Streifzügen wiederkommt, liegt Papa Samuel nicht in seinem Bett. Joel überkommt ein schrecklicher Gedanke: Er ist sich sicher, dass nun auch sein Vater ihn verlassen wird. Aber mit Papa Samuel darüber zu reden, ist undenkbar. Am selben Tag lernt Joel Ture kennen, den er bei mitternächtlichen Treffen in den Geheimbund einweiht. Ture gewinnt schnell die Vormachtstellung im Bund. Er findet es langweilig, nur nach dem Hund zu suchen, er möchte „Angst einjagen“. Mit immer neuen Ideen versucht er, Joel zu imponieren. Joel widerstreben diese Ideen, da sie gegen seine Vorstellung von Gut und Böse verstoßen. Er hat keine Lust, der nasenlosen Gertrud Ameisen ins Haus zu setzen.

Alles wird anders in der Nacht, in der Ture ihn zwingt, über die Brückenbogen zu klettern. Er hat große Angst dort oben, kann nicht vor und nicht zurück. Doch plötzlich spürt er Papa Samuel, der ihn festhält und ihm gut zuredet. Durch dieses Erlebnis hat Joel endlich Mut zu erzählen. Er ist sich jetzt ganz sicher, dass sein Vater immer zu ihm steht und „ihn nie verlassen wird“. Und Ture, der anderen immer nur Angst einjagen möchte, das ist kein richtiger Freund. Richtige Freunde müssen sich „wie normale Menschen verhalten“. Papa Samuel und er reden jetzt miteinander, so wie sie es noch nie getan haben, sogar über Mama Jenny. Nun ist Joel auch damit einverstanden, dass Sara zu Besuch kommt. Dann ist auf einmal das Schuljahr zu Ende, und der lange Sommer steht bevor. Den Hund, der unterwegs zu einem Stern ist, sieht er nicht wieder ... Er hat sein Ziel erreicht.

In diesem Roman beschreibt Henning Mankell die Verständigungsschwierigkeiten zwischen Kindern und Erwachsenen. Durch die personale Erzählform können kindliche Leser Joels Gedanken über die Erwachsenen gut nachvollziehen. Die Abenteuer des Geheimbundes und der unbestimmte Ausgang der Suche nach dem Hund lassen den Roman zu einem spannenden Leseerlebnis werden. Fast unbemerkt bleibt dabei das Lernen über Freundschaft, Loyalität und Akzeptanz. Es wird symbolisch durch die Suche nach dem Hund verdeutlicht, die man als Prozess des Erwachsenwerdens verstehen kann.

Mankell zeigt auf, wie wichtig es ist, miteinander zu reden. Er meint, dass „wir es den Heranwachsenden erleichtern, indem wir ihnen Hilfsmittel anbieten, die Lebensbedingungen zu verstehen, ihnen Wissen, Stärke und einen kritischen Blick vermitteln“. Der Roman spricht folglich auch den erwachsenen Leser an. Er bietet ihm einen umfassenden und humorvollen Einblick in die Seele eines Kindes, das gerade dabei ist, die Kindheit hinter sich zu lassen. – Henning Mankell wurde für den Roman 1993 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis und mit dem Nils-Holgersson-Preis ausgezeichnet.

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