Kerner, Charlotte: Kinderkriegen
Kinderkriegen ...
von Traudl Bünger (1996)
... ein Nachdenkbuch, das sich speziell an junge Frauen richtet. Es bringt viele verschiedene Positionen von Müttern und Nicht-Müttern zur Sprache, die der Leserin Mut machen, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese auch zu vertreten. Immer wieder wird vorsichtig vor leichtsinnigen Entscheidungen gewarnt. Dennoch richtet sich das Buch nie gegen das Kinderkriegen.
„Er ist nicht der Vater, nur der Erzeuger“ betont z. B. Jasmin, eine junge Mutter, die seit zwei Jahren mit ihrer vierjährigen Tochter alleine lebt. Ihren Alltag beschreibt die Realschülerin als sehr aufreibend. Sie hält aus diesem Grund eine frühe Mutterschaft nicht für „empfehlenswert“. Auf der anderen Seite spricht sie aber auch immer wieder von dem Glück, das sie durch ihre Tochter erfährt, und von ihrem Stolz, die Situation gemeistert zu haben.
Jasmin ist eine der 25 Frauen, die in Charlotte Kerners Sachbuch zu Wort kommen. Der Autorin, die sich vor allem mit ihren Biographien und dem utopischen Jugendroman „Geboren 1999“ einen Namen gemacht hat, gelingt es, dieses Thema sehr ansprechend zu behandeln. Die Ausführungen beruhen vorwiegend auf Diskussionen und Berichten von Frauen und wirken nie aufgesetzt oder belehrend.
Folgende Themen werden behandelt: Kinder – ja oder nein, Verhütung, Teenagermütter, Adoption, Kinder und Ehe, Mütter im Beruf sowie künstliche Fortpflanzung. Die meisten Kapitel werden mit einer Diskussion eröffnet, in der Schülerinnen einige Grundgedanken zum Thema anreißen. Dann folgen Erfahrungsberichte von Frauen unterschiedlichen Alters, die auf einige Aspekte näher eingehen. Abgerundet werden die Betrachtungen häufig mit einer Statistik und/ oder Hintergrundinformationen aus Soziologie und Pädagogik. Immer wieder betont das Buch, wie vielfältig und auch unterschiedlich die Sichtweisen und Erfahrungen zu einem Thema sein können: Auf der einen Seite erfährt der Leser beispielsweise von einer jungen Frau, die mit 17 Jahren Mutter wurde, welche ungeheure Überforderung eine frühe Mutterschaft bedeuten und wie Adoption hier ein „rettender“ Ausweg sein kann „Ich hab sie ins Heim gegeben, was mir weh tat, aber ich wollte das Kind nicht weiterquälen.“ Auf der anderen Seite stellt eine reife Frau eindrucksvoll dar, wie gerade die Kinder ihr Kraft gegeben haben, die Unterdrückung in ihrer Ehe und die Trennung von ihrem Mann zu überstehen.
Im Kapitel „Adoption – (k)ein Ausweg“ wird die Situation von Frauen beschrieben, die ungewollt kinderlos waren oder noch sind. Hier meldet sich Kerner selbst zu Wort, erzählt von ihren vergeblichen Versuchen, den relativ spät aufgetauchten Kinderwunsch zu befriedigen, und von ihrem Entschluss, ein Kind aus der Dritten Welt zu adoptieren.
Ein anderes Kapitel wendet sich dem Thema „Kindermachen“ zu. Es beginnt mit Auszügen aus einem Buch von Phyllis Burke, in dem diese den Kampf eines lesbischen Paares um eine Mutterschaft beschreibt. Im Anschluss daran gibt Charlotte Kerner einen Überblick über künstliche Befruchtung, Retortenschwangerschaften, Samenbänke, Leihmütter und Omamütter. Sie geht dabei immer auch auf die rechtliche Seite ein und scheut sich nicht, zu diesen Punkten selbst Stellung zu beziehen, indem sie auf die ethische Fragwürdigkeit solcher Praktiken hinweist.
Neben Berichten und Diskussionen gibt das Buch auch praktische Hinweise, z. B. zum Thema Verhütungsmittel. Auch auf die Möglichkeiten bei einer ungewollten Schwangerschaft geht die Autorin ausführlich ein. Ein Adressenregister mit Beratungsstellen am Ende des Buches komplettiert die Darstellung. – Insgesamt ist „Kinderkriegen“ eine gelungene, sehr feinfühlige Darstellung eines Themas, das für viele immer noch mit Tabus behaftet ist.