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Rassismus ist überall (ja, auch bei uns).

Von Leah Buntrock, Sascha Raser, Marlene Samary, Michael Weyers  (2023)

Stamped ist eine von dem Jugendbuchautor Jason Reynolds abgewandelte Version eines akademischen Werkes des Historikers Ibram X. Kendi (2016). Doch trotzdem ist es (k)ein Geschichtsbuch, dies betonen die Autoren mehrmals. Doch kann ein Buch, was über die Geschichte von Rassismus erzählt, überhaupt kein Geschichtsbuch sein?

Die Zusammenarbeit von Reynolds und Kendi führt die Leser:innen in fünf Teilen durch 600 Jahre Rassismus: Von dem „ersten Rassisten“, zu Barack Obama über Tarzan und Planet der Affen zu Black Power und Black Lives Matter. An ausgewählten Beispielen sollen die Leser:innen ihre persönliche Haltung, sowie auch existente soziale Zustände kritisch auf ihre rassistischen Strukturen hinterfragen. Ein großes und komplexes Thema wird in gut zugänglicher Sprache erklärt – kein Begriff wird kommentarlos in den Raum geworfen. Wiederholungen, Überblicke und kurzbündige Erklärungen erleichtern das Verständnis, ohne vor komplexen Begriffen zu scheuen. Durch humoristische (eingeklammerte) Kommentare werden die Leser:innen inhaltlich begleitet und ein Gefühl des „Zusammenlesens“ entsteht. (Achtung! Es wird parteiisch.) Wie diese Kommentare letztendlich auf die jugendlichen Leser:innen wirken sei mal dahin gestellt. Stellenweise wirkt die Sprache wie ein Versuch jugendlichen Sarkasmus zu mimen, der trotzdem "trockene" Fakten und traurige Fassungslosigkeit unterhaltend gestaltet. Denn mit der Komplexität einhergehend müssen viele Namen, Zeitsprünge und (zu) viele Informationen genannt werden, jedoch trägt es so zur Plausibilität bei.

Zurück zum Anfang: Ist es ein Geschichtsbuch oder nicht? Mit der ständigen Abgrenzung zur wissenschaftlichen Objektivität wird ein Freiraum geschaffen, der eine meinungsbildende-parteiische Darstellung des Themas zulässt. Das Buch regt eine Diskussion über den Ausweg aus dem strukturellen Rassismus an. (Denn, dass wir Rassisten sind, steht NICHT zur Debatte.)

Stamped ist ein US-amerikanisches Buch für eine US-amerikanische Leserschaft. Die deutsche Ausgabe birgt trotz eines ausführlichen deutschen Vorwortes Hürden für die Leser:innen. Es werden gewisse Vorkenntnisse des historischen Hintergrundwissens angenommen, die bei der Leserschaft dieser Ausgabe nicht zutreffen. Auch der hier verwendete Slang zielt auf US- amerikanische Jugendliche ab und kann seine volle Wirkung in der deutschen Übersetzung nicht entfalten. Dennoch wird die Leserelevanz nicht beeinträchtigt.

Das Buch stellt eine Brücke her. Von der Vergangenheit zum Jetzt, vom Historischen zum Unterhaltenden und vom unwissenden zum wissenden Lesenden. Doch was wissen die Leser:innen letztendlich? Der Lesende soll sich am Ende nicht alle Jahreszahlen, alle Personen und tausende Fakten merken, sondern soll sich mit dem Buch weiterentwickeln. Eine Entwicklung mit einem deutlichen Ziel: Aktive Mitgestalter gegen Rassismus zu sein.

 

Bibliographische Angaben

Reynolds, Jason & Kendi, Ibram X
Stamped. Rassismus und Antirassismus in Amerika
München, dtv Verlagsgesellschaft  (2021)
256 Seiten
ab 14 Jahren

 

Textprobe:

1. Ein Weißes Kind namens John Clayton wird in Zentralafrika zur Waise.
2. John wird von Affen großgezogen.
3. Sie ändern seinen Namen in Tarzan, was »weiße Haut« bedeutet.
4. Tarzan wird der beste Jäger und Krieger. Besser als alle Afrikaner.
5. Irgendwann bringt er sich selbst das Lesen bei.
6. In den Fortsetzungen und nachfolgenden Geschichten beschützt Tarzan eine Weiße Frau namens Jane davor, von Afrikanern geschändet zu werden.
7. Tarzan beschützt eine Weiße Frau namens Jane davor, von Afrikanern geschändet zu werden.
8. Tarzan beschützt eine Weiße Frau namens Jane davor, von Afrikanern geschändet zu werden.
9. Kapiert?

Seite 124