skip to content

Osborne, Mark (Regie): Der kleine Prinz
Eine unerwartet andere Literaturverfilmung:
Erster Animationsfilm der zeitlosen Geschichte „Der kleine Prinz“

von Mirjam Mörchen (2017)

„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“ – Näher an der Wahrheit könnte dieser Satz nicht sein und trotzdem ist es gelungen, die bedeutende Geschichte des kleinen Prinzen sichtbar zu machen.

Das kleine Mädchen (im Original: Stimme von Mackenzie Foy) lebt das Leben, das ihre Mutter (im Original: Stimme von Rachel McAdams) sich für sie vorstellt:


Jede Minute ist geplant, bald soll sie auf die beste Schule der Stadt und später auf die renommierteste Universität des Landes gehen. Eine Welt voller Spaß, Träume und Kind-Sein gibt es für das Mädchen nicht. Bald wird sie jedoch von einem Papierflieger, der in ihrem Zimmer landet, abgelenkt. Die darauf abgebildete Geschichte eines kleinen Männchens interessiert sie zunächst nicht und sie bringt den Papierflieger zurück zum Absender – ihrem Nachbarn (im Original: Stimme von Jeff Bridges). Der Mann ist bereits sehr alt und arbeitete früher als Pilot. Er erzählt dem Mädchen die magische Geschichte des kleinen Prinzen (im Original: Stimme von Riley Osborne), des Schafes, der Rose und der vielen Planeten, welche sie schnell in den Bann zieht. Doch kann sie in ihrem durchgeplanten und von der Vernunft gesteuerten Leben einen Platz für Abenteuer und Magie frei machen?

Der kleine Prinz ist der erste Animationsfilm, der die 1943 erschienene Geschichte von Antoine de Saint-Exupery aufgreift. Der Film feierte im Mai 2015 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes seine Premiere und schaffte es im Dezember in die deutschen Kinos. Die Regie der französischen Produktion führte Mark Osborne, der bereits bei „Kung Fu Panda" diesen Job übernahm, und die Musik wurde von Hans Zimmer komponiert. Der Film bedient sich aktueller 3D­ Computer-Animation und klassischer Stop-Motion-Technik. Er wurde 2016 mit dem Cesar – der nationale Filmpreis in Frankreich – als bester Animationslangfilm ausgezeichnet.

Dem Film gelingt es mit dieser unerwarteten Umsetzung, die Zeitlosigkeit der bereits über 70 Jahre alten Erzählung des kleinen Prinzen einzufangen. Die moderne Rahmenhandlung versetzt den Klassiker in eine Aktualität und ist dabei durchaus authentisch. Die Zuschauer und Zuschauerinnen werden schnell von der bewegenden Freundschaft zwischen dem Mädchen und dem Piloten gefesselt und können bis zum Ende rätseln, wie die Geschichte des Mädchens, des Piloten und des kleinen Prinzen ausgeht. Das Schöne am Film „Der kleine Prinz“ ist, dass er das junge Publikum, aber genauso gut das ältere Publikum faszinieren kann und jeden auf eine Reise in eine Welt voller Fantasie, Abenteuer und Träume mitnimmt. Aus diesem Grund wird die Adaption zu einem Family Entertainment. Aufgrund des Mädchens als Protagonistin (das übrigens entsprechend der Originalgeschichte wie alle Charaktere keinen Namen besitzt) fällt es sicherlich vor allem dem jüngeren Publikum leicht, sich mit ihr zu identifizieren. Durch die Kritik des Autors an der (meist) oberflächlichen Welt der erwachsenen Menschen, die zugleich in der Literaturverfilmung ihren Platz findet, wird eine Identifikation ebenfalls möglich. Zudem hat der Film die Kraft, daran zu erinnern, was mit Fantasie, Mut und Selbstvertrauen gelingen kann, und diese Botschaft ist gleichermaßen für Klein und Groß wichtig.

Der starke Kontrast zwischen der 3D-Computer-Animation und der Stop-Motion-Technik ist das Besondere der Adaption. Die außergewöhnliche Papiertechnik ist an die Zeichnungen von Antoine de Saint-Exupery angelehnt und trägt somit dazu bei, dass der Geist der Erzählung sich in der Verfilmung widerspiegelt. Die sorgfältige Kunst und der Aufwand der Umsetzung stehen im Kontrast zur typischen 3D-Computer-Animation, wodurch beide Welten innerhalb des Films verdeutlicht werden.

Dennoch gibt es Aspekte, die kritisiert werden müssen: Die Anpreisung der deutschen Filmfassung mit zwei berühmten Schauspielern, die Kürze der Originalstory innerhalb der Rahmenhandlung und die 3D-Computer-Animation. Die Schauspieler TiI Schweiger und Matthias Schweighöfer werben für den Film und werden sogar auf dem DVD-Cover genannt, obwohl sie nur Nebenrollen (dem Fuchs und Herrn Prinz) ihre Stimme leihen. Dadurch werden falsche Erwartungen geweckt. Die Synchronsprecherin des Mädchens und der Synchronsprecher des Piloten werden im Gegensatz dazu nur selten erwähnt. Außerdem werden durch den Titel des Films Erwartungen geweckt, die diese Adaption nicht erfüllt. Die typische 3D-Computer-Animation der Welt des Mädchens ist gut gemacht und muss sich nicht hinter amerikanischen Animationen verstecken, doch ist sie sehr unauffällig und hebt sich nicht von anderen Produktionen ab. Dieser Nachteil entsteht wahrscheinlich durch die beeindruckende Stop-Motion-Technik der Originalgeschichte. Vielleicht ist dieser Kontrast aber genau so gewollt!?

Doch letzten Endes geht es nicht darum, die Geschichte des kleinen Prinzen so nah wie möglich am Original nachzuerzählen, sondern darum, den Zauber, die Emotionen und die Bedeutung der Erzählung weiterzugeben – und das ist dem Film gelungen, da er zeigt, wie der kleine Prinz und seine Botschaft noch heute eine Rolle in unserem Alltag spielen.