Van Dusseldorp, Simone (Regie): Der Fall Mäuserich
Ernste Themen und albernes Gesinge:
„Der Fall Mäuserich” versucht den Tanz auf dem Drahtseil
von Behnam Ahansa, Henri Lossignol und Lea Schlömann (2017)
Simone Van Dusseldorp spricht in ihrem Kinderfilm ernste Themen wie Ausgrenzung und vor allem auch die Endlichkeit des Lebens sowie den Umgang mit Trauer an. – Doch kann ein Tier-Freundschaftsfilm, der zugleich auch ein Kindermusical sein will, durch eine Darstellung mit reichlich Gesang und Tanz diesen schwierigen Themen gerecht werden?
Die achtjährige Meral zieht gemeinsam mit ihren Eltern in eine neue Wohnung. Am Tag ihrer Ankunft macht sie die Erfahrung, dass es nicht einfach werden wird, neue Freund*innen zu finden: Sie trifft vor dem Haus zuerst auf eine Gruppe Kinder, die choreografisch spiegelbildlich zu ihrer Anführerin Desi agiert; das realistische Setting wird hier – wegweisend für die Ästhetik es Film – durch eine Kindermusicalästhetik aufgebrochen. Desi zeigt kein Interesse für Meral und damit die ganze Gruppe nicht. Doch da ist noch Vito, ein unscheinbarer, schmächtiger Junge, der zwar ihr Freund werden möchte, aber nur unter der Bedingung, dass sie seinen strengen Freundschaftsvertrag unterschreibt.
Dies lehnt Meral zunächst ab und auch der zweite Versuch, einen neuen Freund zu finden, scheitert. Zurück in ihrem Zimmer entdeckt sie in einem Loch in der Wand das Versteck eines kleinen Mäuserichs, den sie Piep-Piep nennt und der schnell den Weg in ihr Herz findet. Dann beschließt Meral, die Maus mit auf die bevorstehende Klassenreise zu nehmen. Das Versorgen und Verstecken des Mäuserichs verbindet sie und ihre Zimmernachbarn, das Tier wird sozusagen zum Integrationshelfer, und der Film folgt dem Genremuster des Tierfreundschaftsfilms. – Bis Piep-Piep von einer Eule ‚verschleppt‘ wird...
Regie und Drehbuch zum Film sind von Simone Van Dusseldorp, die sich im Laufe ihrer Karriere mehrmals dem Kinderfilm gewidmet hat; Natur und Tod sind wiederkehrende Themen ihrer Filme. So hat sie 2009 den Film „Frösche und Kröten” realisiert, der sich mit jenen auseinandersetzt. Und 2014 hat sie mit dem Film „Life According to Nino” auf der Cinekid, einem Film-, Fernseh- und Medienfestival in Amsterdam, den Nationalpreis für den besten Kinderfilm 2014 gewonnen. „Der Fall Mäuserich” greift die Thematiken ‚Natur‘ und ‚Tod‘ auf; er feierte auf der Berlinale im Februar 2017 seine internationale und erfolgreiche Premiere. Dies überrascht, scheitert doch der Film bei dem Versuch, ernste und traurige Aspekte des Lebens wie Tod, Trauer und Ausgrenzung mit Leichtigkeit und Optimismus zu verbinden: Die ernste Seite des Films ist nicht unterhaltsam oder interessant, sondern streckenweise verstörend, während die fröhliche Seite vor allem in ihrer Ausführung schwächelt. Das liegt auch an den deutschen Synchronstimmen, die für die
meiste Zeit ‚ausreichend‘ sind, aber ins Mangelhafte abdriften, wenn gesungen wird. Der Ansatz des Studios, dem Film Charme und Authentizität durch eben nicht professionelle Sänger zu verleihen, misslingt. Zudem widersprechen sich die Elemente des Films, die authentisch erscheinen wollen und die musicalhaften Momente, weil die Klammer der Genreparodie nicht greift und die Aussage des Films insgesamt zu schwach ist, um kitschige Disney- oder Hollywood-Langeweile zu konterkarieren. Deutlich wird dies an einer Szene aus der Mitte des Films, als ein Junge im Rollstuhl mit frühpubertärer Stimme und begleitet von den entsprechenden Bildern darüber singt, wie ein Tier ein anderes frisst und dass jenes Raubtier wiederum selbst zum Opfer werde, wobei das „nicht schlecht und nicht gemein” sei, sondern so sein müsse.
Natürlich ist es für jeden Menschen, der pädagogisch mit Kindern arbeitet, eine Herausforderung, den „Struggle of Life”, wie ihn schon Charles Darwin beschrieb, Kindern zu vermitteln, ohne ihnen Angst zu machen. Dass dieser Film also zumindest versucht, den Tod als notwendigen Teil des Lebens darzustellen, muss man ihm hoch anrechnen. Schlechte Musik, schlechter Tanz, schlechter Gesang, schlechte Texte und insgesamt schlechte Filme sind aber keine notwendigen Teile des Lebens und gerade deshalb sollte man versuchen, diese – wann immer es geht – zu vermeiden.