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Caspak, Victor/Lanois, Yves:
Die Kurzhosengang
Aus dem kanadischen Englisch von Andreas Steinhöfel
Mit Illustrationen von Ole Könnecke
Hamburg: Carlsen 2004
208 S., € 12,-

Caspak, Victor/Lanois, Yves (Text) und Ole Könnecke (Illustration): Die Kurzhosengang

Coole Jungs in kurzen Hosen

von Christiane Taxhet (2005)

Rudolpho, Island, Snickers und Zement, so nennen sich vier Freunde aus einem kleinen Ort in Kanada. Sie leben inkognito, denn wenn jeder wüsste, wie sie richtig heißen, dann würde in ihrem Heimatort die Post abgehen. Sie sind die berühmte Kurzhosengang.

Die Kurzhosengang liebt Horror- und Gruselfilme, aber da die Jungs erst elf Jahre alt sind, können sie diesem Hobby nur einmal im Monat frönen. Dann hat Snickers sturmfreie Bude und seine neunzehnjährige Schwester Belinda, „das schönste Mädchen in ganz Kanada“, besorgt ihnen Filme mit „viel Blut und viel Geschrei“. Derart coole Jungs tragen natürlich keine kurzen Hosen. Wie die Gang dennoch zu ihrem Namen kam, dazu erzählt jedes Mitglied anlässlich eines Fernsehinterviews seine eigene Geschichte.

Alle vier Geschichten beginnen harmlos und verlaufen bizarr. Rudolpho berichtet, wie die vier Jungs ihre Klassenkameraden in einer heldenhaften Aktion aus den Kellerräumen ihrer Schule retten, nachdem das Gebäude vom Orkan zerlegt worden ist. Island erzählt, dass die Gang in einem schneeverwehten Auto als Geburtshelfer agieren musste. Und Snickers schildert, wie sie an einem ihrer obligatorischen Videoabende einen gefährlichen Grizzly in Snickers Wohnzimmer ausgetricksten.

Aus Zements Perspektive sieht man die vorherigen Erzählungen in einem neuen Licht und scheinbare Ungereimtheiten erscheinen logisch und selbstverständlich. Mit seiner Geschichte öffnet sich dem Leser eine weitere Dimension. Denn Zement erzählt ganz selbstverständlich, dass er die Schutzengel und Geister anderer Leute sieht und sich auch gerne mit ihnen unterhält, was wiederum erklärt, warum er immer so langsam ist.

Sowohl die einzelnen Geschichten als auch das gesamte Buch folgen der gleichen Konstruktion: Der Autor spielt mit der Erwartungshaltung des Lesers, um schließlich das Unerwartete zu offerieren. Der Leser kann lange nicht entscheiden, ob es sich um reale Begebenheiten oder um Gedankenkonstruktionen elfjähriger Jungs handelt, die in alterstypischen Größenphantasien schwelgen.

Mit jedem Perspektivwechsel wird das Netz aus Phantasterei und Realität undurchdringbarer. Jeder Erzähler greift die unglaubliche Darstellung eines Freundes beiläufig auf und bettet sie in neue Zusammenhänge. Dadurch wird die Glaubwürdigkeit der Gangmitglieder untermauert. Jedes Mitglied beschreibt in seinem persönlichen Stil die eigene Position innerhalb der Gang und die selbstverständliche Akzeptanz der Freunde untereinander – trotz ihrer skurrilen Eigenarten. Dadurch werden die Charaktere lebendig und liebenswert.

„Die Kurzhosengang“ ist ein witziger, spannender Kinderroman über das Geschichtenerfinden, erzählen und -konstruieren. Dies wird nicht nur an den Geschichten der Jungs deutlich. Es hat den Anschein, als wäre auch das Autorenpaar ein Baustein in der Konstruktion dieses Romans. Denn obwohl Victor Caspak und Yves Lanois eine kurze Vita zugeschrieben wird, gibt es außerhalb des Buches keinen weiteren Hinweis auf ihre Existenz. Die Vermutung liegt nahe, dass Andreas Steinhöfel mehr als nur die Übersetzung, das Vorwort und die Fußnoten zu dem Buch beigetragen hat ...

Die Fußnoten fügen sich schön in den Bauplan der Geschichte ein. Steinhöfel nutzt sie für einen literarischen Kniff. Durch Übertreibungen und Phantastereien verkehrt er ihre eigentliche Funktion ins Gegenteil. Etwa wenn er sich auf die in Kanada übliche Regel „poogaes“ beruft, welche beim Eishockey dafür sorgt, dass sowohl Spieler als auch Zuschauer blitzartig still stehen müssen, sobald der Puck das Spielfeld verlässt, oder wenn er sich auf ein literarisches Werk über die Blasenschwäche kanadischer Wölfe bezieht. Auch wenn bei einigen Fußnoten ein größeres Hintergrundwissen erforderlich ist, um den intendierten Witz zu verstehen, spannt Steinhöfel mit den Fußnoten einen schönen Bogen zwischen seinem Vorwort und den Geschichten der Gang.

Damit steht das Buch steht zu Recht auf der Nominierungsliste des diesjährigen Kinder- und Jugendliteraturpreises!

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