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Titelbild
Wahl, Mats:
Der Unsichtbare
Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch
München, Wien: Hanser 2001
192 S., € 12,90

Wahl, Mats: Der Unsichtbare

Das unsichtbare Opfer

von Stefanus Rost und Traudl Bünger (2002)

Hilmer ist seit ein paar Tagen spurlos verschwunden. Niemand weiß, wo der sechzehnjährige Schüler steckt. Es wird schnell klar, dass „etwas Entsetzliches geschehen" ist. Alles deutet darauf hin, dass Jugendliche aus dem rechten Spektrum etwas mit Hilmers Verschwinden zu tun haben. An dessen Schule sind schon seit einigen Jahren rechtsradikale Entwicklungen zu beobachten, ausländische Schüler werden bedroht, Hakenkreuze an die Wände geschmiert. Die Schulleitung und der Hausmeister versuchen, die Ereignisse herunterzuspielen. Ebenso wie der Gemeinderat wollen sie verhindern, dass Schule und Stadt mit Gewalt und Fremdenhass in Verbindung gebracht werden. Kriminalkommissar Fors ermittelt gegen die Uhr, denn das Opfer ist vielleicht noch am Leben ...

Mats Wahls Jugendroman steht in der Tradition klassischer schwedischer Kriminalromane. „Der Unsichtbare“ sprengt jedoch die Grenzen des Genres: Der Schwerpunkt liegt nicht im kriminologischen Verwirrspiel, denn es wird schnell klar, wer als Täter in Frage kommt. Kommissar Fors hat vielmehr etwas schier Unbegreifliches aufzuklären: „... warum man einen an Schach interessierten, Fußball spielenden Teenager zusammenschlagen und misshandeln musste“. Der Autor erzeugt Spannung, indem er den Blick der Leserinnen und Leser eng an den ermittelnden Fors bindet. Man verfolgt jede Spur mit ihm gemeinsam, teilt Irrtümer und Zweifel. Bei aller Kargheit der Sprache – jedes beschriebene Detail scheint über sich hinauszuweisen.

Das Außergewöhnliche des Buches ist jedoch nicht die fesselnde Erzählweise, sondern ein literarischer Kunstgriff: Unsichtbar begleitet Hilmer das Geschehen. Weinend, flehend und um Aufmerksamkeit bettelnd versucht er, Kontakt aufzunehmen und herauszufinden, was mit ihm geschehen ist. Die Präsenz des Unsichtbaren verstärkt die ungute Ahnung, die während des Lesens aufkommt. Besonders beklemmend sind die Passagen, in denen Hilmer allmählich realisiert, was ihm angetan wurde: „Sein zerstörtes Gesicht. Was hatte man mit seinem Gesicht gemacht?“ Wahl überlässt die Deutung dieser unsichtbaren Gestalt den Leserinnen und Lesern. Es bleibt ungeklärt, ob die Darstellung hier ins Surreale abdriftet oder ob der Unsichtbare ein Bild für die Gegenwart des Opfers im Bewusstsein der anderen Figuren ist.

Der Roman gibt keine Antworten auf die Frage, wie Gewalt entsteht. Er lässt Leserinnen und Leser betroffen und bar jedes Deutungsmusters zurück. Fassungslosigkeit, Trauer und Wut sind die Gefühle, die bleiben. Daran ändert auch das harmonisierende Ende nichts.

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