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Carter, Forrest:
Der Stern der Cherokee
Aus dem amerikanischen Englisch von Thomas Lindquist
München: Bertelsmann 1998
(Erstausgabe 1979)
320 S., € 7,-.

Carter, Forrest: Der Stern der Cherokee

So ist der Weg

von Claudia Niemann (1999)

„Verstehen und Lieben waren für Granpa und Granma ein und dasselbe. Granma sagt, man kann nicht jemanden lieben, wenn man ihn nicht versteht.“ Diese Liebe vermittelt das alte indianische Ehepaar seinem Enkel Little Tree. Der Waisenjunge erlebt bei seinen Großeltern in den Bergen von Tennessee eine idyllische Kindheit. Little Trees Tage sind voller Freude und Spaß, z. B. wenn er mit Granpa das Erwachen des neuen Tages beobachtet oder das alte, halb blinde Maultier Old Sam zum Pflügen überreden will. Aber auch Ernstes wird angesprochen: Granpa erzählt von seiner eigenen Kindheit, als die Cherokee aus ihrem Heimatland vertrieben worden waren und nichts mehr besaßen außer ihrem Stolz. Er erzählt von der Trauer der Indianer über die Zerstörung der Natur und dem erbarmungslosen Umgang mit Menschen, die sich der Zivilisation nicht anpassen wollen oder können.

Diese Ich-Erzählung stellt in unaufdringlicher Weise den Kontrast zwischen den Lebensinhalten der Weißen und den Traditionen der Cherokee dar: hier die modernen Wissenschaften, Konsum, Geld und Politik – dort Verantwortungsbewusstsein, Verständnis für andere und Unabhängigkeit. Die Großeltern zeigen ihrem Enkel auch, wie man in Harmonie mit der Natur leben kann, denn „so ist der Weg der Cherokee“. Gemeinsam gelingt ihnen der Balanceakt, Little Tree für die ,neue Welt’ zu rüsten und dennoch in der Tradition der Cherokee zu erziehen. Mr. Wine, ein Freund der Familie, formuliert das so: „‚Die Erziehung, die jeder Mensch braucht, zerfällt in zwei Teile. Das eine ist der technische Teil [...]. In dieser Hinsicht sind die modernen Wissenschaften sehr nützlich. Bei dem anderen Teil aber [...] sollte man sich lieber an das althergebrachte Wissen halten.’ Diesen Teil nannte Mr. Wine die Werte. ,Jeder Mensch muss einige Werte lernen und anerkennen [...] Er muss ehrlich und sparsam sein, er muss immer sein Bestes tun und sich um seine Mitmenschen kümmern [...]. Wenn du diese Werte nicht gelernt hast, wirst du all das moderne Wissen nur für schlechte, zerstörerische Zwecke einsetzen’.“

Forrest Carter erzählt von seiner eigenen Kindheit in den dreißiger Jahren. Dabei vermittelt er die komplexen Inhalte jüngeren, aber auch älteren Lesern. Kinder können mit Little Tree über Granpas Worte nachdenken, während die erfahreneren Leser in der bildreichen Sprache immer neue Bedeutungen entdecken werden. „The Education of Little Tree” ist erstmals 1976 in Amerika erschienen und inzwischen in der dritten Auflage auch bei uns wieder erhältlich. Die neue Ausgabe ist durch Gedichte ergänzt worden, die an zentralen Stellen die Gefühle Little Trees illustrieren und die Sprache noch abwechslungsreicher machen. Die beiden Vorworte sollte man allerdings besser überblättern, will man sich nicht mit zähen Weisheiten über Indianer und deren Kultur den Spaß verderben lassen.


Nachtrag Mai 2010
Der Redaktion der Les(e)bar ist erst in diesem Monat bekannt geworden, dass es sich bei Forrest Carter um das Pseudonym Asa Earl Carters handelt. Dieser war bis in die frühen 1970er Jahre ein wichtiges Mitglied des rassistischen Ku-Klux-Klans und versuchte, diese Zeit nach dem Beginn seiner Schriftstellerkarriere geheim zu halten.

Unserer Meinung nach ändert dies jedoch nichts an der Einschätzung des Buches durch unsere Rezensentin.

Weitere Informationen zu Asa Earl Carter erhalten Sie bei "Wikipedia" und dem "Handbook of Texas".


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