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Christopher, John:
Die Wächter
Aus dem Englischen von Johannes Piron.
Ravensburg: Ravensburger 2004
(RTB Reality 8027)
(Originalausgabe 1970)
(Erstauflage 1975)
192 S., € 5,95

Christopher, John: Die Wächter

Goldenes Zeitalter?

von Sabine Elias (1998)

„Die Wächter“ von John Christopher gilt mittlerweile als Klassiker jugendliterarischer Sciencefiction. Der Roman erschien 1970 im englischen Original unter dem Titel „The Guardians“ und wurde 1976 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.

Christopher entwirft ein Bild Englands im 21. Jahrhundert. Das Land ist streng in zwei Regionen geteilt, die zugleich gesellschaftliche Sphären kennzeichnen. Nicht nur ein hoher Drahtzaun, sondern auch Vorurteile und gegenseitiges Misstrauen trennen die Städter – die so genannten Konurbaner – von den Menschen im Land,kreis. Massenleben und Straßenunruhen, „Terraflüge“ mit Elektrorennwagen und Gladiatorenspiele bestimmen den Alltag in der Konurba. Hier hat die Holovision das Fernsehen abgelöst, Bücher gelten als „schmutzige, unhygienische Dinger“, als „Fallen für Bakterien“. „Es war der Ort, von dem man zwar wusste, dass es ihn gab, aber Gott dafür dankte, dass man dort nicht leben musste, und ihn lieber schnell wieder vergaß.“

Im Landkreis hingegen scheinen die Uhren stehen geblieben zu sein: Pferde und Kutschen als einzige Beförderungsmittel, Fuchsjagden und Dienstpersonal. Müßiggang kennzeichnet das Leben des Landadels, das zwar sorgenfrei, den Konurbanern aber zugleich eintönig und langweilig erscheint: „Schlimmer als alles andere war die Tatsache, dass es dort kein Gemeinschaftsleben [...] gab. Sie kannten keine Aufregung, nicht den ,Schwung’, der das Leben in den Konurbas charakterisierte.“

Der Konurbaner Rob, der Hufgetrappel nur aus historischen HV-Filmen kennt, hat von all diesem nur vage Vorstellungen. Nach dem Tod des Vaters wird der nun vollwaise Junge in ein Internat geschickt. Ein Alptraum aus Drill, Willkür und Gewalt beginnt. „Kein Zuhause, zu dem er heimkehren konnte, kein Privatleben, keine Bücher.“ Rob flieht. Unbemerkt erreicht er den Landkreis, den Ort, wo seine Mutter ihre Kindheit verbrachte. Hungrig und mit blutig gelaufenen Füßen trifft er auf den gleichaltrigen Mike Gifford, der den heimatlosen Flüchtling zunächst in einer Höhle versteckt und versorgt. Rob wird schließlich in dessen Elternhaus aufgenommen und als „Neffe aus Nepal“ in die aristokratische Welt eingeführt. Schon bald jedoch beginnt er zu ahnen, dass sich hinter der vermeintlichen Idylle noch etwas anderes verbirgt ... „Alles ist Schwindel, eine Schau für Marionetten“, wird Mike ihm später erklären.

Die Kontraste sind es, die „Die Wächter“ zu einem hervorragenden Beispiel und Prototypus einer Warnutopie machen, wie sie später in der Sciencefiction-Kinder- und Jugendliteratur der 80er und 90er Jahre dominiert. John Christopher konstruiert eine Welt, in der negative gesellschaftliche Entwicklungen in einer imaginierten Zukunft fortgesetzt und so in ihren verhängnisvollen Auswirkungen enthüllt werden. Doch der Autor spannt den Bogen noch weiter: Der bewahrende Reaktionismus des Landkreises wird dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt der Konurbas gegenüberstellt – Historisches gerät so in ein Spannungsverhältnis zur Modernität. In beiden Sphären steht eine angepasste Mehrheit einer revolutionären Minderheit gegenüber, die bereit ist, für Ideale einzutreten. Die Protagonisten verkörpern in überzeugender Weise die Gegensätze: Die Individualität Robs und Mikes steht im Kontrast zur Kollektivität, ihre Freiheit im Gegensatz zur Konformität.

Aus Robs Sicht erlebt man den Kampf gegen Manipulation und Unterdrückung, die Auseinandersetzung mit Idealen, nicht ohne zugleich die Zweifel und die Zerrissenheit des Jungen zu spüren. So erhalten die jugendlichen Leserinnen und Leser Möglichkeiten zur Identifikation und den nötigen Freiraum, eigene Positionen zu bestimmen. Kritik an gesellschaftlichen Zuständen wird von Christopher geschickt in Dialoge und Reflexionen ,verpackt’. Sprachliche Vorausdeutungen, die konsequente Einhaltung der Erzählperspektive und nicht zuletzt der überzeugende Schluss machen das Buch bei aller Problemorientierung zu einem spannenden Lesevergnügen.

Das Genre ist von Christopher, der schon als Kind ein „eingefleischter Sciencefiction-Fan“ gewesen sein soll, vielfach bearbeitet worden: Seit den 50er Jahren hat er zahlreiche Jugendbücher vorgelegt, u. a. die „Trilogie der Monster“ (1967/68) oder „Leere Welt“ (1977), die ins Deutsche übersetzt und – ebenso wie „Die Wächter“ – für das Fernsehen verfilmt worden sind.

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