Cross, Gillian: Auf Wiedersehen im Cyberspace
Experiment mit der Angst
von Simone Mager (1998)
„Auf Wiedersehen im Cyberspace“ zählt zum Genre der so genannten „Discworld-Novels“, einer Spielart der Sciencefictionliteratur, deren Entstehen im Zusammenhang mit der Multimediaentwicklung der vergangenen Jahre zu sehen ist. Elemente aus der realen und einer imaginierten Welt werden so miteinander kombiniert, wie es in der Realität nicht oder noch nicht möglich ist. Auf diese Weise wird eine künstlerische Spielwelt erzeugt, die die Grenzen empirischer Wirklichkeit überschreitet.
Miriam kann es kaum erwarten, für die Firma K&K das neue Computerspiel zu testen: Immer wieder eintauchen in die unbekannte virtuelle Welt, als Heldin aufreibende Abenteuer bestehen und vor allem den Schwächling Stuart übertrumpfen, der ebenfalls als Versuchsperson ausgewählt ist. Schon bald merkt die 14-Jährige jedoch, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Warum darf sie niemandem von dem Spiel erzählen? Wer manipuliert dessen Ablauf und weshalb tauchen darin Dinge aus ihrem Privatleben auf, über die sie niemals sprechen würde?
Auf ungemein spannende Weise erzählt die englische Autorin Gillian Cross, wie sich für Miriam, die eigentlich fest im Leben steht, durch den Einfluss des Computerspiels nach und nach vieles verändert. Durch das Spielen wird alles andere zweitrangig: die Schule, die Freunde, selbst die Familie. Was zählt, ist nur noch die virtuelle Welt, das Weiterkommen im Spiel. Immer tiefer gerät Miriam dabei in einen Strudel aus Verwirrung und Angst. Denn genau damit wird experimentiert: mit den ganz persönlichen Ängsten und Alpträumen der beiden Spieler. Wird deren Erregung zu groß, soll sich das Spiel automatisch abschalten. Trotz oder gerade wegen ihrer Angst kann Miriam nicht aufhören. Misstrauisch beobachtet sie dabei ihre Umgebung, immer auf der Suche nach dem, der ihren Alptraum aus den Kindertagen verraten haben könnte.
Obwohl virtuelle und reale Welt teilweise zu verschmelzen scheinen, bleibt die Erzählung übersichtlich und nachvollziehbar. Dazu tragen vor allem der klare Handlungsaufbau und die überschaubare Anzahl von Personen und Schauplätzen bei. Der größte Teil der Geschichte ist aus Miriams Perspektive erzählt. Gemeinsam mit ihr entdecken die Lesenden Schritt für Schritt die Gefährlichkeit des Spiels und die Methode, nach der es einerseits funktioniert, andererseits aber auch gestoppt werden kann. Für Miriam und Stuart beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn Herstellung und Vermarktung des Spiels stehen unmittelbar bevor.
Gillian Cross weist auf die Gefahren hin, die von Computerspielen ausgehen können. Dies gelingt ihr ganz ohne erhobenen Zeigefinger. Vielmehr lassen die überzeugende Handlung und die Faszination der virtuellen Welt das Buch zu einem spannenden Lesevergnügen werden. Dieses Computerabenteuer wird auch diejenigen fesseln, für die Cyberspace bisher ein Fremdwort war.