Huettner, Ralf (Regie): Burg Schreckenstein II – Küssen (nicht) verboten
Burg Schreckenstein: Der Geist der Fünfziger – mit Internet…
von Thomas Fischer (2018)
Die eifrigen Leser*innen der vielbändigen Kinderbuchreihe „Burg Schreckenstein“ sahen bereits mit Spannung dem zweiten Teil der Verfilmung entgegen, die die Abenteuer der Rasselbande um Stefan, Dampfwalze und die anderen Jungs in sehr freier Form nacherzählt.
Diesmal beginnt die Handlung mit einem Unglück: Der exzentrische Graf von Schreckenstein (kaum zu erkennen: Harald Schmidt) stürzt mit seinem Zeppelin ab, und die Burg bekommt einen neuen Chef. Der proletarische Neffe des Grafen, gewohnt überchargierend von Uwe Ochsenknecht gespielt, hat wahrlich erschreckende Pläne: Das Internat soll an einen chinesischen Investor verramscht werden, der das Anwesen abreißen und in einem Freizeitpark in seiner Heimat wiederaufbauen will.
Die Jungen sind davon alles andere als begeistert, zumal dies nicht ihr einziges Problem ist. Denn die kleinen Buben vom ersten Film sind inzwischen mitten in der Pubertät – und finden die Mädels der benachbarten Burg Rosenfels gar nicht mehr so doof wie früher. So gibt der Untertitel des Films „Küssen (nicht) verboten“ den zweiten Handlungsstrang des Films recht gut wieder: Denn Direktor Meyer bittet seine Kollegin Horn um Unterschlupf für seine Jungen in Rosenfels. Erste erotische Erfahrungen sind also unvermeidlich…
Um Schreckenstein zu retten, müssen sich die Helden allerdings noch in der Königsdisziplin des Abenteuergenres bewähren, der Schatzsuche! Hier wird die erwachsene Zuschauer*in allerdings skeptisch: Dass sich eine echte Gutenberg-Bibel in der Grabkammer des alten Gemäuers befinden soll, um dann den Chinesen wie ein x-beliebiges Ramschobjekt über den Burggraben geworfen zu werden, das tut nicht nur einem Bibliothekar in der Seele weh!
Das Schauspielerteam des ersten Films legt auch diesmal wieder eine ordentliche Leistung vor. Besonders die Hauptfigur Stefan hat in Maurizio Magno einen hervorragenden Darsteller gefunden, der sich ja schon in der Pfarrer-Soap „Herzensbrecher“ als jüngster Sohn der Familie bewährt hatte. Demgegenüber sind die Erwachsenenrollen – außer dem Direktor „Rex“ – durchweg als Lachnummern angelegt. Wie etwa der verwirrten Hysterikerin Frau Horn die Leitung eines Internats anvertraut werden konnte, bleibt unklar. Jedoch steht diese Überzeichnung in einer langen deutschen Paukerfilmtradition: Von der Feuerzangenbowle bis zum Fliegenden Klassenzimmer, ganz zu schweigen vom Pepe-Nietnagel-Klamauk, müssen Pädagogen wohl die Trottel der Nation sein.
Dabei ist die Haltung des Films stockkonservativ: Dies zeigt sich nicht nur in der weichgespülten Gruppendynamik (wirkliche Konflikte gibt es nicht, kleine Zwiste sind schnell wieder beigelegt), sondern auch in den nur angedeuteten, durchweg heterosexuellen Küsschen – und der erstaunlichen Tatsache, dass Jungen wie Mädchen sehr altmodische Schuluniformen tragen, von denen in der Buchreihe nie die Rede war. Auch alternative Lebensformen werden nicht thematisiert: Jungs in Ballettröckchen gibt es nur als burleske Alptraumsequenz; im ‚wirklichen‘ Leben sind sie natürlich ‚ganze Kerle‘.
Von äußerlichen Modernisierungen abgesehen, etwa der Nutzung von Internet und Smartphone, ist hier also von pädagogischer Aufbruchsstimmung nichts zu spüren. Zuwiderhandlungen gegen die Internatsordnung, insbesondere das Einschleichen der Schüler ins Mädchenschloss, werden nach wie vor streng geahndet. Und sogar beim Plantschen im See wird noch Ganzkörperdress getragen. So haben Jungen wie Mädchen doch noch einen weiten Weg zum Erwachsenwerden vor sich.