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Leseprobe „Das Ende von Eddy“

Ich durfte mich nicht mehr so verhalten wie bisher. Ich musste meine Gestik beim Sprechen unter Kontrolle bekommen, musste lernen, mit tieferer Stimme zu reden, und ausschließlich männertypischen Freizeitbeschäftigungen nachzugehen. Mehr Fußball spielen, keine Schlagersendungen mehr sehen, andere Schallplatten hören. Allmorgendlich im Badezimmer wiederholte ich für mich dieselbe Formel, ununterbrochen, so oft, dass sie schon ihren Sinn verlor, zu einer reinen Abfolge von Lauten und Silben wurde. Ich sagte sie auf und begann sofort von neuem Heute bin ich ein echter Kerl. Ich erinnere mich daran, denn es war genau dieser Satz, fast in der Art eines Gebets, mit diesen Worten und keinen anderen Heute bin ich ein echter Kerl (und ich schreibe diese Zeilen weinend, denn was ist das für ein lächerlicher, abscheulicher Satz, dieser Satz, der mich für mehrere Jahre begleitete und – ich glaube, das ist nicht übertrieben – den Mittelpunkt meiner Existenz bildete).

Jeder Tag war herzzerreißend, so leicht ändert man sich nicht. Ich war nicht der echte Kerl, der ich sein wollte. Eines allerdings war mir klargeworden, nur mittels Lügen würde es möglich sein, eine neue Wahrheit aufzubauen. (S. 156)