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Johnson, Crockett:
Der Zauberstrand
Aus dem Amerikanischen von Michael Krüger
München: Hanser 2007
53 S.
€ 14,90
Kinderbuch ab 6 J.

Johnson, Crockett (Text und Illustration): Der Zauberstrand

Zeichen im Sand  

von Carolin Freers und Carolin Klein (2007)

Ein vor 40 Jahren in Amerika veröffentlichtes Kinderbuch erscheint in neuem Glanz und gewinnt dabei deutlich an Qualität: nicht etwa weil es mit modernen, computerbearbeiteten Bildern aufgepeppt worden wäre. Im Gegenteil - man bediente sich bei der Neugestaltung ganz einfach der groben Skizzen des Autors von 1965. Ursprünglich sollten diese Entwürfe nur als Gestaltungsmuster für den Verlag dienen. Jetzt machen die Zeichnungen, die in den 1960er Jahren die Leser wohl kaum begeistert hätten, den besonderen Reiz für die deutsche Erstauflage aus.

Die Handlung ist schnell erzählt: Ann und Ben spielen gelangweilt am Strand. Während Ben auf der Suche nach einer schönen Muschel ist, würde Ann viel lieber nach Hause gehen und eine Geschichte lesen, oder noch viel besser: selbst in einer Geschichte mitspielen. Ben steht dieser Idee jedoch skeptisch gegenüber: „In Geschichten passiert doch überhaupt nichts […].Geschichten bestehen aus Wörtern. Und Wörter aus Buchstaben. Und Buchstaben sind nichts anderes als Zeichen.“ Doch schon bald wird er eines Besseren belehrt. Denn nachdem Ben das Wort „Marmelade“ in den Sand geschrieben hat und seine Schriftzeichen von einer Welle weggespült wurden, steht wie von Zauberhand eine mit Marmelade gefüllte Schale vor den beiden Kindern. Auf diese Weise beschaffen sich Ben und Ann weitere Dinge wie Brot, Milch und Süßigkeiten. Und da zu jeder Geschichte ein verwunschener König gehört, wird auch dieser aus dem Sand gezaubert und nach und nach mit einem Königreich ausgestattet – bis die Flut dem ganzen Zauber ein Ende macht: „Nur der König ist noch drin in der Geschichte und hofft, dass er seinen Thron erreicht“.

Crockett Johnson thematisiert in seinem Kinderbuch „Der Zauberstrand“ die Kraft der kindlichen Phantasie. Ben und Ann werden zu Akteuren ihrer eigenen Geschichte. Ben, der versucht die Bedeutungslosigkeit der Worte zu zeigen, beweist hier das genaue Gegenteil: Buchstaben sind zwar nur Zeichen, aber mit ein wenig Vorstellungsvermögen können sie zum Leben erweckt werden. Den Kindern macht es „viel mehr Spaß, selber etwas zu erleben, als darüber zu lesen“. Der Übergang von der Realität in die Phantasiewelt erfolgt nahtlos und bereitet den Beiden keine Schwierigkeiten, auch wenn sie sich der Realität durchaus bewusst sind: „So was gibt es nicht […]. Außer in Geschichten“, weiß Ben …

Die an Packpapier erinnernden Tonbilder sind schlicht gehalten. Es hat den Anschein, als wären die Bleistiftskizzen, ähnlich wie die Wörter der Kinder, auf Sand festgehalten worden. Doch gerade diese groben Vorlagen verleihen dem Buch seine besondere Lebendigkeit. Durch wenige Bleistiftstriche schafft Johnson ausdrucksstarke Zeichnungen. Wie schon zuvor in seinen berühmten Barnaby Comics oder in seiner Kinderbuchreihe über den kleinen Harold.

Die groben Skizzen des Autors geben einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Werkes. Teilweise nur flüchtig radierte Figuren verleihen dem Buch seinen besonderen Charme und zeigen, dass die im Buch einen großen Platz einnehmenden Entwürfe eigentlich nicht für die Veröffentlichung bestimmt waren. Das Kinderbuch besticht durch seine Einfachheit und ist zeitlos schön. Durch einen dicken und festern Pappeinband erhält das Werk eine hohe Materialität, die sich auch in der Papier- und Druckwahl zeigt.

Gerade durch die sich dem Trend der heutigen Zeit widersetzende Einfachheit wirkt das Buch besonders ästhetisch. In seiner Beschränkung auf das Wesentliche erreicht „Der Zauberstrand“ ein hohes Maß an Vollkommenheit. Die reduzierten Zeichnungen können mit der Phantasie des Lesers gefüllt werden und regen zum Erfinden eigener Geschichten an.

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