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Rezension: Sieben Minuten nach Mitternacht

Mein Freund: das Monster – mein Feind: der Tod

von Johanna Düllgen, Jeannine Herdegen und Marten Zervos (2018)

Das Leben des 13-jährigen Conor O´Malley ist alles andere als sorgenlos: Seine Mutter ist schwer krank, sein Vater führt ein neues Leben in den fernen USA – weshalb Conor bei seiner unnahbaren Großmutter wohnen muss. In der Schule wird er von seinen Klassenkameraden gemobbt und selbst im Schlaf findet Conor keine Ruhe: Allnächtlich wird er von Albträumen gepeinigt, die mit dem drohenden Tod seiner Mutter in Verbindung stehen. Als er erneut, wie in jeder Nacht, genau sieben Minuten nach Mitternacht schweißgebadet aufwacht, steht ein riesiges Monster vor seinem Fenster und die Grenze zwischen Traum und Realität beginnt zu verschwimmen. Fortan besucht das Monster Conor jede Nacht zur gleichen Zeit, um ihm durch das Erzählen von insgesamt drei Geschichten dabei zu helfen, sich seinen Ängsten zu stellen und eine unumstößliche Wahrheit zu akzeptieren.

„Sieben Minuten nach Mitternacht“ handelt von Tod, Schmerz, Trauer und Verlust. Trotz – oder gerade aufgrund – dieser düsteren Thematik und Stimmung hat der Regisseur Juan Antonio Bayona einen Film geschaffen, der eine ungeschönte Wahrheit zeigt und damit in klarem Kontrast zu den typischen Happy End-Hollywoodfilmen steht. Dabei bedient sich der Film einer fantasievollen und symbolstarken Darstellungsweise, ohne dabei den Ernst der Thematik aus dem Blick zu verlieren, was den Film ebenso für Kinder und Jugendliche zugänglich macht. Es geht um Angst, um Verlust und um Tod, doch auch um die Schönheit von Gefühlen wie Liebe. Von Beginn bis Ende des Films kann der Zuschauer spüren, dass die Macher nicht nur besonders viel Herzblut und handwerkliche Sorgfalt in „Sieben Minuten nach Mitternacht“ investiert haben. Sie wussten sehr genau, wovon sie erzählen, denn das Drehbuch basiert auf einem Romanfragment der irisch-britischen Schriftstellerin Siobhan Dowd, welche selbst leider noch dessen Fertigstellung einem Krebsleiden erlag.

Der Zuschauer erlebt die Ereignisse durch Conors Augen – „Zu alt um noch ein Kind zu sein, zu jung um bereits erwachsen zu sein.“, so sagt es das Monster im Film. Sein Schmerz und seine Hilflosigkeit sind bereits in den ersten Minuten deutlich zu spüren. Conor sucht Halt – jemanden, der ihn auf seinem schweren Weg begleitet, doch dieser Aufgabe fühlen sich selbst die meisten Erwachsenen nicht gewappnet. Mit dem Auftauchen des Monsters findet Conor einen Freund, der sich seiner annimmt. Auch wenn das Monster zuerst Angst in Conor auslöst, hilft es ihm schließlich, sich seiner Angst zu stellen und seine Gefühle zuzulassen. Filmtechnisch überzeugt das Monster durch seine herausragende Detailfülle und das Motion Capture-Verfahren, das es sehr lebendig erscheinen lässt. Im Verlauf der Handlung wird immer deutlicher, dass das Monster nicht nur ein Freund, sondern auch das Spiegelbild für Conors Gefühle darstellt. Im Mittelpunkt stehen hierbei die an Märchen erinnernden Geschichten über böse Stiefmütter, todkranke Schwestern oder ein verbotenes Heilmittel im Stil von Aquarellbildern. Diese Bilder, die in einem wunderbaren Animationsstil ineinander überfließen, eröffnen einen Zugang zu Conors Gefühlswelt und helfen, ihn besser zu verstehen. Die Aquarelle verleihen dem Film eine besondere Note und ermöglichen es, die schwierigen Themen für Kinder greifbarer zu machen. Bayona hat eine Welt erschaffen, dessen Zauber man sich nicht entziehen kann. Hinsichtlich der schwermütigen Thematik ist die schwierige Balance zwischen Schönheit und Ernst bemerkenswert gut gelungen.

„Sieben Minuten nach Mitternacht“ ist ein mutiger Film: er durchbricht die Angst davor, über unheilbare Krankheiten zu sprechen – vor allem mit Kindern. Der Film ist ein erfolgreicher Versuch, das Thema Tod und Krankheit, Gefühle und ihr Chaos, Liebe und Hoffnung Kindern durch die Perspektive der Figur Conor O´Malley näher zu bringen. Das Besondere an dem Film ist, dass es zwar kein großes Happy End gibt, am Ende aber trotzdem eine Art Erlösung steht: Conor lernt seine Gefühle zu akzeptieren, ihnen freien Lauf zu lassen und seiner Angst ins Gesicht zu sehen, auch wenn es mehr als schwer für ihn ist. Dieser Film ist nicht nur ein Film, sondern er ist eine Hilfe für viele Menschen, die jemand Geliebtes verlieren, denn er beweist, dass es in Ordnung ist, sauer, wütend, traurig und enttäuscht zu sein. Er zeigt nicht nur, dass das schwere Schicksal unzähliger Menschen auf, sondern auch ihre unermüdliche Hoffnung darauf, dass doch alles wieder gut wird – auch wenn es leider nicht immer ein Hollywood-Happy End geben kann.